Beruf und Karriere - Sabine Otremba
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Disziplin – besser als ihr Ruf

Die Disziplin hatte es lange Zeit nicht leicht. Zu verstaubt ihr Image. Und dann wird ein Video zum Hit, in dem Admiral William H. McRaven, ein ehemaliger Navy-Seal,folgendes sagt: „Wenn Sie die Welt verändern wollen, müssen Sie damit anfangen, Ihr Bett zu machen.“[1] Mittlerweile ist Disziplin „schwer angesagt“. McRavens Rede folgte ein Buch und mittlerweile tummeln sich im Internet und zwischen den Buchdeckeln viele weitere Ex-Navy Seals, die an unsere Disziplin appellieren. Verwunderlich? Nur dann, wenn wir Disziplin weiterhin als verstaubtes Etwas sehen, das wir mit Zwang und Drill gleichsetzen. Spannend wird es allerdings, wenn wir sie mit anderen Augen betrachten.

Nämlich als etwas, das uns die Freiheit gibt, das zu tun, was wir tun möchten. Ohne Opfer unserer jeweiligen Befindlichkeiten und (Un)Lustgefühle zu sein.

 

Disziplin, verzweifelt gesucht

Wenn ich meine Disziplin untergraben möchte, muss ich lediglich eine bestimmte Sorte Joghurt-Schokoriegel kaufen. Während andere Schokoladensorten tagelang unbehelligt im Schrank liegen können, setzen diese Riegel meine Willenskraft schachmatt. Da helfen weder gemurmelte Drohungen noch gute Worte. Nachdem ich einige der Schokoriegel verputzt habe, fühle ich mich undiszipliniert und willensschwach. Kein Wunder, denn McRaven, der selbst jeden Morgen sein Bett macht, sagt über sein morgendliches Ritual: „Es wird Ihnen ein kleines Gefühl von Stolz geben, und es wird Sie ermutigen, auch alle noch folgenden Aufgaben zu bewältigen.“ [1]

Und genau das ist das Problem, das ich mit meinem Schokoriegel habe. Es sind weder die 72kcal noch die 7g Zucker. Sondern das Gefühl, dass ich mich schon bei so kleinen Dingen nicht im Griff habe. Wie soll ich wirkliche Herausforderungen meistern, wenn ich schon bei einem kleinen Schokoriegel einknicke und es mir an Disziplin mangelt?

Mehr Disziplin – so klappt’s

Die Sache ist klar: Mehr Disziplin muss her. Und damit das nicht zu sehr nach Drill klingt, ist es eben günstig, die Disziplin als etwas Positives zu betrachten. Als etwas, das uns stärkt und dabei hilft, Ideen in die Tat umzusetzen. Anstatt permanent Dinge zu tun, über die wir uns hinterher ärgern.

  • Realistisch planen: Tue das, was du liebst und du musst nie wieder arbeiten – ist besonders in sozialen Medien oft zu lesen. Klingt traumhaft, ist aber leider nur eine Seite der Medaille. Von den gemeinen Pflichten (putzen, bügeln, Buchhaltung, unliebsame Termine wahrnehmen etc.) entbindet uns leider niemand. Besser ist es, die Sache realistisch anzugehen. Wenn wir uns auch auf die Kehrseite der Medaille einstellen, gerät die Disziplin nicht gleich bei der ersten kleinen Hürde ins Wanken.
  • Klein anfangen: Eine realistische Planung beinhaltet auch die Kunst, die Aufgabe in kleine Häppchen zu zerlegen. Nicht zu klein, aber eben auch nicht zu groß. Wer zum ersten Mal für einen Marathon trainiert, nimmt sich schließlich auch nicht gleich eine Trainingsstrecke von 40km vor. Es geht nicht darum, etwas nur ein – oder zweimal zu tun, sondern diszipliniert so lange dranzubleiben, bis wir die Ziellinie überqueren. Und das gelingt am Anfang am besten mit der kleinsten Dosis, die wir regelmäßig in unseren Alltag integrieren können.
  • Routine entwickeln: Es wird immer Dinge geben, die weder Spaßfaktor noch Unterhaltungswert besitzen. Oder die uns sogar ängstigen. Die Frage ist: Lassen wir uns davon in die Knie zwingen oder nicht? Für alles, was uns nervt oder schwer von der Hand geht, empfiehlt sich eine gewisse Routine. Denn wenn wir gewisse Handlungen verinnerlicht haben, ist das fast die halbe Miete. Warum? Weil über 40 Prozent dessen, was wir täglich tun, unbewusst geschieht und keiner bewussten Handlung entspringt. Die Energie, die wir sonst für kräfteraubende Kämpfe gegen unseren Schweinehund benötigt hätten, können wir nun anders und besser nutzen. Ein erster Schritt zu mehr Disziplin und Routine kann übrigens schon eine passende Morgenroutine sein.
  • Belohnungsprinzip: Idealerweise ist der innere Antrieb so stark, dass wir automatisch bei der Sache bleiben. Ist das nicht der Fall, kann das „Wenn-dann-Prinzip“ weiterhelfen. Also: Ehe ich mir dieses oder jenes gönne, mache ich erst etwas, worauf ich gerade keine Lust habe. Im Falle meiner Schokoriegel könnte das heißen: Vor dem Schokoriegel esse ich etwas Gesundes.
  • Verlockungen minimieren: Würde für eingangs erwähnten Fallstrick in Form von Joghurt-Schokoladenriegeln bedeuten: Die werden nur noch zu besonderen Anlässen gekauft und sind nicht ständig vorrätig. Genau das ist auch der Trick, den diszipliniert erscheinende Menschen gerne anwenden. Sie gehen den Verlockungen einfach aus dem Weg.
  • Motor Motivation: Unser Kopf kann sich noch so schöne Ziele ausdenken. Die Frage ist: Welche Motive treiben uns eigentlich an? In jedem von uns schlummern die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Von manchen ahnen wir nicht mal etwas, andere verdrängen wir, weil sie nicht zu unserem Selbstbild passen. Wenn unsere Motive allerdings nicht aus unserem Inneren kommen, sondern dem entsprechen, was Gesellschaft, Freunde oder Arbeitgeber fordern, dann ist viel Disziplin nötig, damit wir uns durchbeißen. Wenn wir also das, was wir uns doch so fest vorgenommen haben, trotz aller Disziplin nicht erreichen, dann ist es klug, die zugrundeliegenden Motive zu hinterfragen. Oder ein Wort mit dem inneren Saboteur zu reden.

Mein Schokoriegel-Problem habe ich übrigens mit dem Prinzip „Verlockungen minimieren“ gelöst. Ich kaufe die Riegel erst gar nicht mehr, denn was nicht im Schrank liegt, führt mich auch nicht in Versuchung. Möchte ich mir allerdings doch mal etwas gönnen, dann greife ich bewusst zu und lasse es mir schmecken. Sehr schade, dass nicht alle disziplinbedingten Probleme so leicht aus der Welt zu schaffen sind…
 
Quelle:
[1] Die Rede, die McRaven im Jahr 2014 an der University of Texas hielt, ist übrigens u.a. auch auf YouTube zu sehen.

Fotocredits: iStock.com/Sebastian_Gorczowski

Aktualisiert am: 18. November 2019