Kein Stress mit dem Stress

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Alles kann Stress verursachen. Doch das muss nicht unbedingt negativ sein. Wie sehr der oder die Einzelne darunter leidet, hängt von vielen Faktoren ab. Und die lassen sich meist ändern. „Ich bin gestresst.“ Das ist inzwischen eine der häufigsten Antworten auf die Frage „Wie geht‘s dir?“ Nicht selten klingt dabei ein stolzer Unterton mit. Wer geschäftig ist, an drei Fronten gleichzeitig kämpft, gilt schließlich als produktiv und wichtig. Mit Stress ist dabei meist Zeitdruck oder Terminhetze gemeint. Tatsächlich rangieren diese Faktoren in vielen Erhebungen ziemlich weit oben auf der Liste der Stressfaktoren.

Stress ist allerdings viel mehr. Buchstäblich alles, egal ob es bewusst wahrgenommen oder unbewusst erlebt wird, kann Stress verursachen. Das können äußere Einflüsse sein, wie Lärm, Hitze oder Kälte. Das kann Unterforderung ebenso sein wie Überforderung, Konkurrenzdruck, Einsamkeit, Konflikte in der Partnerschaft genauso wie Verletzungen, Hunger oder Krankheit.

Die Liste ließe sich fast beliebig lange fortsetzen. Allerdings würde sie dadurch kaum an Aussagekraft gewinnen, denn was wirklich stresst und wie sehr, ist für jeden Menschen verschieden. Was den einen auf die Palme bringt, lässt den anderen kalt. Erst die persönlichen Einstellungen, Motive und Bewertungen, mit denen auf eine Situation reagiert wird, sind es, die Stress entstehen lassen.

Faktum ist: Stress und seine Folgen beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, sondern zählen auch zu den größten Gesundheitsrisiken. Inzwischen verursachen psychische Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen mehr Krankenstandstage und Frühpensionen als körperliche Leiden.

Wie entsteht Stress?

Ob etwas Stress verursacht, ist abhängig von den persönlichen Einstellungen, Erwartungen und Prägungen.

Nichts von dem, was uns im täglichen Leben zustoßen kann, erzeugt von sich aus Stress. Sonst könnten Menschen nicht so unterschiedlich auf ein und dieselbe Situation reagieren. Wenn in der Redaktionskonferenz ein neues Thema aufkommt und der Chefredakteur seinen Blick auf der Suche nach einem potenziellen Autor schweifen lässt, wird der erste Redakteur vielleicht denken: „Na, begeistert wäre ich nicht, aber wenn die Geschichte bei mir landet, auch kein Problem. So etwas habe ich schon dutzende Male geschafft.“ Ein anderer schickt innerlich ein Stoßgebet zum Himmel: „Bitte nicht ich. Ich schaff das nie in der kurzen Zeit. Ich kann nicht mehr.“ Und ein dritter könnte meinen: „Das ist meine Chance!“

Die auf dem Tisch liegende neue Aufgabe ist kein Stressfaktor – sie wird es aber, wenn sie innerlich als Belastung oder Bedrohung eingestuft wird. Das ist auch im Konfliktfall so. Nicht das rüde Wort oder das Verhalten des Partners oder der Partnerin machen Stress. Eine Belastung wird daraus nur, wenn es emotional als kränkend, ärgerlich oder verletzend bewertet wird.

Innere Programme zur Bewertung der Situation

Ob eine Situation als neutral, angenehm oder bedrohlich eingestuft wird, hängt in hohem Maß von den persönlichen Einstellungen, Erwartungen und Prägungen ab. Als negativ wird sie immer dann bewertet, wenn die eigenen Grundbedürfnisse verletzt werden. Stressforscher nennen das die „Sollwerte“, also im Lauf der Biografie gewachsene Ausprägungen menschlicher Grundbedürfnisse wie das Bedürfnis nach Liebe, Intimität, Zugehörigkeit, Ruhe, das Streben nach Selbstverwirklichung, Anerkennung, Autonomie und Sicherheit. Sollwerte können auch bewusste und unbewusste Ansprüche und Erwartungen an sich selbst sein, vor allem jene an das eigene Leistungs- und Sozialverhalten. Unbewusst und in Bruchteilen von Sekunden wird eine aktuelle Situation mit diesen Sollwerten verglichen und bewertet, ob die eigenen Bedürfnisse dadurch Schaden genommen haben oder Schaden nehmen könnten. Das Ziel, seine Arbeit bis zum Abend getan zu haben, ist gefährdet, wenn plötzlich der Kollege um Hilfe bittet; der Wunsch nach Anerkennung wird nicht erfüllt, wenn der Chef harsche Kritik übt; die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit wird zerschlagen, wenn der Partner untreu ist.

Parallel zur Bewertung der Situation an sich läuft – oft ebenso unbewusst wie das erste – noch ein zweites inneres Programm ab. Dabei wird bewertet, ob man sich der neuen Situation gewachsen fühlt und meint, sie beherrschen zu können. Ein „Das habe ich noch nie gekonnt“ wird den Stresslevel erhöhen, ein „Ich habe schon viel Schwierigeres gemeistert“ den Blutdruck am Steigen hindern, selbst wenn die äußeren Umstände zunächst als bedrohlich eingestuft wurden. Zusammengefasst heißt das: Zwar sind es äußere Einflüsse, die auf uns einstürzen. Aber der Stress kommt von innen – aus uns selbst. Das heißt nicht, dass wir ausschließlich selbst dafür verantwortlich sind, wenn uns der Druck zu schaffen macht. Natürlich gibt es äußere Rahmenbedingungen, die jeden überfordern müssen, und Ereignisse, für die sich schlicht keine positive innere Bewertung finden lässt – Naturkatastrophen etwa, Gewalt, massive Erkrankungen oder der Tod eines lieben Menschen. Aber selbst bei so gravierenden Zäsuren zeigen Studien, dass Menschen unterschiedlich damit umgehen. Etwa ein Drittel reagiert mit schweren Stresssymptomen, ein weiteres mit mittleren, das letzte Drittel mit leichten.

Gesamt gesehen macht die Erkenntnis jedenfalls Hoffnung: Denn selbst wenn sich die Rahmenbedingungen des Lebens nicht verändern lassen, kann immer noch am innerlichen Stressbarometer gedreht werden.

Große und kleine Sorgen

Die Summe der kleinen, täglichen Belastungen ist belastender als einschneidende, schmerzhafte Lebensereignisse.

Stress ist alles, was belastet. Also müssten einschneidende, schmerzhafte Lebensereignisse den größten Stress machen und die schlimmsten Folgen zeigen. Der Tod eines geliebten Kindes, Trennung, Scheidung, Jobverlust, Arbeitsplatzwechsel – alle diese Lebenszäsuren wurden systematisch auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen erforscht. Dabei zeigte sich, dass sie natürlich Spuren hinterlassen, und je häufiger solche Ereignisse in der Biografie eines Menschen vorkamen, desto häufiger und stärker zeigten sich körperliche und psychische Beschwerden. Insgesamt aber waren die Unterschiede im Vergleich mit anderen, denen solche Belastungen erspart blieben, nicht dramatisch groß.

Viel gravierender, das zeigen neuere Forschungsergebnisse, wirkt sich die Summe der vermeintlich kleinen, alltäglichen Belastungen aus. Weil das Arbeitsleben nicht nur einen großen Teil unseres Tages füllt, sondern auch wesentlich zur Identität und Sinnfindung beiträgt, ist es der von Stressforschern am besten untersuchte Lebensbereich.

Wo Manpower zum teuersten Kostenfaktor wird, wird genau dort eingespart. Rationalisierungen und der zunehmend verschärfte globale Wettbewerb sorgen dafür, dass jeder Einzelne immer mehr Arbeit in immer kürzerer Zeit erledigen muss. Bei Umfragen zeigt sich regelmäßig, dass etwa 40 Prozent das Gefühl haben, mehr oder sogar deutlich mehr als noch vor fünf Jahren leisten zu müssen. Termindruck steht ganz oben in der Liste der subjektiv am meisten belastenden Faktoren. Dazu kommt, dass die Arbeit vielschichtiger und komplexer geworden ist und uns immer öfter verschiedenartigste Aufgaben übertragen werden, die immer neues Hineindenken erfordern.

Zudem ist die Arbeit längst nicht mehr auf die Bürostunden beschränkt. Nicht nur Freiberufler und Selbstständige mit ihrer Arbeit eigentlich nie fertig. Wer mit verantwortungsvollen und herausfordernden Aufgaben betraut wird, hört nicht an der Stempeluhr auf, darüber nachzudenken.

Neben der schieren Menge an Arbeit, die erledigt werden will, sind es aber auch die Rahmenbedingungen, die Stress erzeugen.

Kontrollverlust

Wer das Gefühl hat, die Arbeitsabläufe nicht beeinflussen zu können, wer den Überblick über das Gesamte nicht hat und nicht selbstständig entscheiden kann, was wann wo und wie zu erledigen ist, hat deutlich schlechtere Stresswerte. Das krasseste Beispiel ist Fließbandarbeit, aber auch in vielen Sozial- und Dienstleistungsberufen sowie im höheren Management leiden viele darunter, die Dinge nicht beeinflussen oder nicht selbstständig entscheiden zu können. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kombination von viel Arbeit und wenig Kontrollmöglichkeiten das Risiko, schon im Alter zwischen 35 und 65 eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen, um das Zwei- bis Vierfache erhöht.

Mangelnde Anerkennung

Der offensichtlichste Gradmesser dafür, wie viel Wert der Arbeit beigemessen wird, ist das Einkommen. Je höher es ausfällt, desto eher fallen existenzielle Sorgen weg, desto höher ist das Sozialprestige und desto größer sind die Möglichkeiten, sich in der arbeitsfreien Zeit als Belohnung etwas Schönes leisten zu können.

Der Lohn für die Arbeit ist aber nicht nur das Geld allein. Wo Lob und Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte ausbleiben, Aufstiegsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder nicht gewährt werden und Mitarbeiter das Gefühl haben müssen, jederzeit gefeuert werden zu können, macht sich Stress wie eine Epidemie breit. Studien zeigen, dass Menschen, die mit hoher Motivation an die Arbeit gehen, aber dafür wenig Wertschätzung ernten, ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko für eine Herzerkrankung haben. Wenn andere Risikofaktoren wie hoher Blutdruck oder Übergewicht dazukommen, kann das Risiko, in den nächsten sechs Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, je nach Ausgangsalter sogar bis 85 Prozent steigen.

Schlechtes Arbeitsklima

Wo Gemeinschaftsgefühl, Fairness und klare Werte das Arbeitsklima prägen, kommt Stress viel seltener auf. Leider scheinen die jeweils konträren Begriffe immer noch in vielen Studien über die Belastungen am Arbeitsplatz ganz weit oben auf: mangelnde Information, unklare Anforderungen, persönliche Spannungen und Konflikte mit Vorgesetzten.

Das Stressprogramm des Körpers

Stress löst eine Reihe von körperlichen und psychischen Vorgängen aus.

Wenn Anforderungen als Belastung empfunden werden, löst das gleich eine ganze Reihe von körperlichen Vorgängen aus. In Bruchteilen von Sekunden reagiert das Gehirn auf den Reiz mit der Ausschüttung von Hormonen, die den Körper und all seine Funktionen auf Hochtouren bringen: Der Herzschlag steigt, die Blutgefäße des Herzens, des Gehirns und der großen Muskeln an Armen und Beinen erweitern sich, die der Haut und der Verdauungsorgane verengen sich. Dadurch steigt die Muskelspannung und ermöglicht sekundenschnelle Reflexe.

Die Atmung wird schneller, die Bronchien erweitern sich, der gesamte Organismus wird mit mehr Sauerstoff versorgt. Die Leber schüttet alle Zuckerreserven in das Blut aus und versorgt so das Gehirn mit einer Sonderration Energie. Die Muskeln bekommen zusätzlich Nahrung, indem die Fettdepots aufgemacht und ins Blut geschwemmt werden. Der ganze Körper stellt sich auf maximalen Energieverbrauch in kürzester Zeit ein: Der Mund wird trocken, die Verdauungstätigkeit gehemmt.

Auch das Immunsystem stellt sich in Sekundenbruchteilen auf die möglichen Folgen der Gefahr ein. Vermehrt werden Killerzellen im Blut produziert, die durch offene Wunden eindringende Keime zerstören sollen. Gleichzeitig wird der Körper mit Endorphinen, körpereigenen Opiaten, überschwemmt, die Schmerzen unterdrücken sollen.

Freilich reagiert der Körper nicht immer gleich bzw. reagiert er bei jedem Menschen anders. Bei den einen wird besonders das Herz-Kreislauf-System aktiviert, bei anderen die Muskelspannung. Dritte wiederum spüren Belastungen vor allem im Magen und im Verdauungssystem. Das hat zum einen mit Veranlagung zu tun, zum anderen hängt es aber auch davon ab, wie eine Belastungssituation emotional bewertet wird:
  • Macht sie wütend und ärgerlich, reagiert vor allem das Herz, und eine Sonderdosis des Hormons Testosteron stellt den Körper auf eine aggressive Abwehrhaltung ein.
  • Steht Furcht im Vordergrund, steigen Blutdruck und Herzschlag zwar auch, allerdings deutlich weniger als bei Ärger. Der Körper wird auf Flucht programmiert.
  • In Situationen, die vor allem mit Trauer und depressiven Gefühlslagen bewertet werden, schüttet der Körper verstärkt das Hormon Cortisol aus. Der Herzschlag wird verlangsamt, das Verhalten eher resignativ, hilflos und unterordnend.

Stress hält gesund

Eine gewisse Portion Stress ist die Würze des Lebens. So wie der Körper Schlaf- und Wachzeiten braucht, das Herz ständig zwischen Systole und Diastole wechselt und die Lungen Luft und Sauerstoff gespannt einziehen und sie entspannt wieder ausblasen, braucht der Organismus auch den Wechsel zwischen An- und Entspannung durch äußere Einflüsse.

Stress ist zunächst einmal nicht gesundheitsschädlich, sondern – ganz im Gegenteil – so etwas wie die Würze des Lebens. Die kurzfristige Aktivierung aller körpereigenen Kreisläufe wirkt wie eine Radikalkur: Alles ist wach, aktiv, dynamisch, und wir spüren alle positiven Zeichen von Lebendigkeit. Ein solcher Kick wird als angenehm erlebt, steigert die Leistungsfähigkeit und Motivation. Experten haben diesem lustvollen Zustand den Namen „Eustress“ gegeben.

Dauerstress macht krank

Ständige Überlastung schadet dem Körper und der Seele.

Stress ist ein Radikalprogramm, das Körper und Geist innerhalb kürzester Zeit zu erstaunlichen Höchstleistungen treiben kann. Das Problem dabei ist, dass diese Radikalität ihren Ausgleich braucht. Wenn nach der Anspannung nicht eine ebenso intensive Ruhephase eintritt, ist das etwa so, als würde die Lunge fortwährend Luft einziehen oder das Herz sich ohne Unterlass zusammenziehen. Das Stressprogramm des Körpers ist seit Anbeginn auf Kurzfristigkeit programmiert. Wenn Feinde oder wilde Tiere auftauchten, mussten sie blitzschnell abgewehrt oder es musste die Flucht ergriffen werden. Die Belastungen der modernen Welt sind aber anderer Natur. Wer ständig unter Hochdruck arbeitet, mit Neid und Missgunst der Kollegen und ungerechten Vorgesetzten kämpft, auf Dauer keinen Sinn in seiner Arbeit sieht, jahrelang keine Erfüllung in seiner Beziehung findet, chronisch krank ist oder Kranke zu betreuen hat, überfordert die Fähigkeit seines Körpers, in Belastungssituationen stets noch ein Quantum mehr Energie zur Verfügung zu stellen.

Das hängt damit zusammen, dass der Organismus über eine Art Rückkoppelungssystem verfügt, welches dafür sorgt, dass die Produktion der körpereigenen Drogen und Abwehrstoffe nicht überschießt und dann mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Würde etwa die Aufrüstung des Immunsystems grenzenlos weiter vorangetrieben, würden sich die Abwehrzellen alsbald gegen den eigenen Körper richten und die unlimitierte Zufuhr von aufputschenden Hormonen würde den Menschen bald in den Wahnsinn treiben.

Hauptverantwortlich für die Regulierung dieser Vorgänge ist das Hormon Cortisol, das die Feinabstimmung der Stressreaktion von der Bereitstellung des energieliefernden Blutzuckers bis zur Feinjustierung des Immunsystems übernimmt. Erzeugt wird es, weil die Stresszentrale im Gehirn bei Gefahr im Verzug bestimmte Botenstoffe, so genannte Corticotropin-Releasing-Factors (CRF), ausschickt, die die Nebennierenrinde zur Produktion von Cortisol anregen. Gleichzeitig findet eine Rückkoppelung statt. Der Cortisolspiegel im Blut wird ständig gemessen und an die Schaltzentrale weitergemeldet. Liegt er zu hoch, wird die Produktion weiterer CRF-Botenstoffe und damit auch weiterer Cortisol-Dosen eingestellt.

Chaos führt zu Chaos im Körper

Unter Dauerstress ist keine Erholung mehr möglich.

Lässt sich der Druck von außen nicht kurzfristig abwenden oder kommt es – ohne ausreichende Erholungsphasen – immer wieder zu Belastungen, gerät dieser Mechanismus aus dem Gleichgewicht. Zunächst versucht er noch, sich anzupassen und den ganzen Regelkreislauf auf einem höheren Niveau zu stabilisieren. Das bedeutet, dass alle Systeme dann auch in vermeintlichen Entspannungsphasen höhertourig laufen.

Auf Dauer kann das aber nicht gutgehen. Mit der Zeit kommt es immer häufiger zu Kurzschlüssen, bis das System die Fähigkeit zur Selbstregulierung völlig verliert. Dann schafft es der Körper nicht mehr, auf das Ruheniveau zurückzukehren. Der Blutdruck bleibt dauerhaft erhöht, die Gefäße verlieren ihre Elastizität, die Muskeln bleiben dauerhaft verspannt und führen zu einer Reihe weiterer Probleme.

Die ständig zugeführten Sonder-Energierationen werden nicht verbraucht und wandern quasi als Sondermüll durch den Körper. Fett, Zucker und verklumpende Blutplättchen verstopfen die Gefäße.

Gleichzeitig bleibt der Cortisolspiegel ständig auf höchstem Niveau und bringt dabei eine ganze Reihe von anderen körpereigenen Regelkreisen durcheinander. Beispielsweise verringert er die Wirkung des Insulins und sorgt so dafür, dass die Zellen weniger Zucker aufnehmen können. Die Bauchspeicheldrüse registriert das und schüttet mehr Insulin aus – so lange, bis sie überfordert ist und immer weniger von dem lebensnotwendigen Stoff produziert.

Damit nicht genug, bringt zu viel Cortisol auch das Immunsystem aus dem Gleichgewicht. Im Stressmoment schaltet es einen Gang höher und schickt eine zusätzliche Legion an Abwehrpolizisten an die Front. Wenn genug davon zur Verfügung stehen und die Gefahr gebannt ist, dämpft Cortisol die Immunreaktion und sorgt so dafür, dass sich diese Kräfte wieder beruhigen und sich nicht gegen den eigenen Organismus richten können. Bei kurzfristigen Belastungen sinkt dann auch der Cortisolspiegel, und alles ist wieder im Gleichgewicht.

Im Dauerstress aber bleibt er dauerhaft erhöht – und tut weiter, was er tun soll: Er dämpft das Immunsystem. Die Folgen sind eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionserkrankungen aller Art und ein gestörtes Kontrollsystem, das in seiner Arbeit – etwa die Bildung von Tumoren schon im Ansatz zu unterbinden – behindert wird. Neuere Forschungen haben aber auch gezeigt, dass Dauerstress bei manchen Menschen den gegenteiligen Effekt auf den Cortisolkreislauf hat. Dann wird die Cortisolproduktion gedämpft oder gänzlich eingestellt, und damit fehlt einer der wichtigsten Kontrolleure des Immunsystems. Es kann zu viel Aktivität entfalten, was zu Allergien und Autoimmunerkrankungen führt.

Stress hoch zwei

Alkohol und Medikamente werden oft als Stressbremsen eingesetzt.

Ist das körpereigene Stressmanagement erst einmal aus der Bahn geraten, setzt sich fast immer ein fataler Teufelskreis in Gang. Viele Menschen neigen dazu, in Belastungssituationen nach vermeintlichen Helfern zu greifen und ihre Lebensgewohnheiten über Bord zu werfen. Der Zigarettenkonsum steigt, immer öfter wird nach vermeintlicher Entspannung bei einem Glas Wein gesucht, die elementarsten Grundsätze der gesunden Ernährung werden missachtet. All das verstärkt die Belastungen, die der ohnehin schon auf Hochtouren laufende Körper zu ertragen hat, noch weiter.

Menschen im Dauerstress verändern aber nicht nur ihr Verhalten – sie verändern sich auch selbst. Nach und nach wandeln sich der Charakter und die Stimmungslage. Gefühle der inneren Unruhe wollen nicht mehr verschwinden, aus einem momentanen Ärger wird ständige Gereiztheit, Unzufriedenheit und Angst machen sich breit, Selbstvorwürfe und grüblerische Gedanken prägen das Bewusstsein.

Das Fatale daran ist, dass Stress ja erst über die Bewertung einer Situation entsteht und die innere Befindlichkeit also letztlich ausschlaggebend dafür ist, ob und wie sehr neue Anforderungen als zusätzliche Belastung empfunden werden. Ist die Psyche erst einmal erschöpft, können auch Aufgaben und Situationen, die früher nebenbei und stressfrei erledigt wurden, plötzlich als unlösbar empfunden werden und den Teufelskreis verstärken.

Krank durch Stress

Dauerstress beeinflusst den ganzen Körper und kann praktisch alle Regelkreisläufe durcheinanderbringen. Jeder Mensch reagiert anders darauf, und es gibt fast keine Krankheit, bei der Stress keine Rolle spielt.

Stress abbauen

Jeder empfindet Stress anders – und hat andere Möglichkeiten, damit umzugehen.

Am Anfang der Stressforschung stand die Suche nach den Ursachen und den Folgen von Stress. Und schon bald darauf folgte die Suche nach dem besten Weg, ihn zu bekämpfen. Inzwischen liegt dazu ein eindeutiges Ergebnis vor: Es gibt keine Patentlösung – aber hilfreiche Strategien.

So unterschiedlich wie das Stressempfinden sind auch die Wege, mit ihm fertig zu werden. Aus den Erkenntnissen über die Entstehung sind allerdings drei Hauptpfade auf dem Weg in eine stressfreiere Zukunft auszumachen: So lassen sich zahlreiche potenzielle Stressauslöser einfach durch bessere Organisation oder Kommunikation abschaffen, viele Dinge, die nicht änderbar sind, in einem anderen – stressfreieren – Licht sehen und die Auswirkungen der Stressfaktoren, die dann noch übrig bleiben, erfolgreich dämpfen.

Das System verändern

Eine genaue Analyse der Lebensumstände lohnt sich.

Auch wenn Stress erst durch die innerliche Bewertung einer Situation entsteht, heißt das natürlich nicht, dass sich jeder seinen Stress selbst macht. Und auch wenn sich emotionale und unbewusst ablaufende Bewertungsprozesse ohnehin einer Kategorisierung in „richtig – berechtigt“ und „falsch – unberechtigt“ entziehen, ist es doch so, dass viele Lebens- und Arbeitsbedingungen schlicht und einfach auch objektiv betrachtet belastend, mitunter sogar unzumutbar sind.

Da kann jemand noch so lange an seiner inneren Befindlichkeit arbeiten, seine Einstellungen überprüfen und revidieren – wenn der Chef auf jede neu gewonnene Leistungsbereitschaft mit einer neuerlichen Steigerung der Arbeitszuweisung reagiert, wird der Stress sich nicht abbauen lassen. Nüchtern betrachtet sind freilich der Fähigkeit, die eigene Sicht auf die Dinge geradezurücken, auch Grenzen gesetzt. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich, in der Partnerschaft, aber auch im Arbeitsleben spielen so viele und vielschichtig miteinander verwobene Gefühle und Prägungen aus der Vergangenheit mit, dass stressverursachende Faktoren nicht immer einfach wegdefiniert werden können.

Es lohnt sich also, sich auch die Umwelt anzusehen und sie einer genauen Analyse zu unterziehen. Jeder, der damit anfängt, wird feststellen, dass sich ad hoc meist gar nicht genau benennen lässt, warum die letzten Monate im Büro als so stressig empfunden wurden. Welche Faktoren haben genau dazu beigetragen, in welchen Momenten ist der Stresslevel gestiegen?

Dem Stress auf die Spur kommen

Viele der kleinen und großen Stressfallen lassen sich relativ einfach aus dem Weg schaffen.

Der Alltag besteht aus einer Vielzahl an Prozessen, die einander überlappen, sich gegenseitig beeinflussen und nicht selten stören. Beobachten Sie sich eine Zeit lang wirklich genau, führen Sie vielleicht sogar Buch darüber. Notieren Sie, wann Stressmomente auftreten, wo das geschieht, wer Sie in Stress versetzt und womit genau. Oft ist schon das Erkennen, dass etwas Stress macht, der erste Schritt zu dessen Abbau. Pflegen Sie diese innere Achtsamkeit.

Nach einiger Zeit wird klar werden, wo die häufigsten Stressursachen liegen und wo es für Sie am wichtigsten wäre, mit dem Stressmanagement zu beginnen.

Einmal erkannt, kann jedes Problem für sich beurteilt werden. Viele der kleinen und großen Stressfallen im Alltag lassen sich mit etwas Phantasie durch einfache Maßnahmen aus der Welt schaffen. Überlegen Sie, ob Sie eine belastende Situation vermeiden oder ob Sie deren Ablauf beeinflussen können. Suchen Sie nach Alternativen, anderen Abläufen, Ritualen, die helfen könnten, die Situation zu entspannen. Lassen Sie sich dabei nicht von Gedanken wie „Das geht doch nicht“ oder „Das werden die anderen nicht akzeptieren“ die Sicht verstellen. Wer etwa entdeckt, dass der allmorgendliche Redeschwall eines Kollegen den Tag schon mit einem Ärgermoment beginnen lässt, kann versuchen, eine kurze Auszeit zu vereinbaren, wenigstens bis der Tag organisiert ist.

Störungen vermeiden

Niemand muss immer erreichbar sein, nicht jede Mail muss sofort gelesen und beantwortet werden.

Notieren Sie am Ende des Tages, was Sie alles gemacht haben, was wie viel Ihrer Zeit in Anspruch genommen hat, und vergleichen Sie diese Bilanz mit dem, was Sie sich für den Tag eigentlich vorgenommen hatten. Machen Sie beispielsweise eine Strichliste, wie oft Sie das Telefon oder das Signal einlangender E-Mails aus der Arbeit und der Konzentration reißt, wie oft unangekündigte Besucher den Kopf zur Tür reinstecken oder wie oft Sie jemand mit ungeplanten Zusatzaufgaben – den kleinen Bitten zwischendurch – von Ihrer eigentlichen Tätigkeit abhält. Kommt das häufig vor, lohnt es sich, zu überlegen, wie sich störungsfreie Phasen organisieren lassen. Niemand muss immer erreichbar sein, und wenn die Sekretärin drei Stunden lang die eingehenden Anrufe entgegennimmt, filtert und den wichtigen Anrufern einen Rückruf verspricht, geht die Welt vermutlich in dieser Zeit ebenso wenig unter wie wenn Sie Ihre Mails nur dreimal am Tag checken.

Prioritäten setzen

Multitasking ist ein klingendes Schlagwort. Und eine der Ursachen von Dauerstress.

Verschiedene Tätigkeiten gleichzeitig durchführen zu müssen, steht auf der Liste der Arbeitsbelastungen ganz oben. Überlegen Sie bei jeder neuen Aufgabe, die Sie übernehmen, bis wann sie erledigt sein muss und ob dieser Termin nicht andere, bereits zugesagte Erledigungen verunmöglicht. Prioritäten zu setzen und notfalls auch Nein sagen zu können – oder dem Delegierenden klarzumachen, dass entweder sein neuer oder aber der zuvor erteilte Auftrag warten wird müssen, ist einer der effizientesten Wege, dem Stress vorzubeugen.

Das gilt nicht nur für das Berufsleben allein. Wer dem Partner einen Theaterbesuch versprochen hat und gleichzeitig dem Chef zusagt, länger zu bleiben, um die Abrechnung noch am selben Tag fertigzumachen, wird unweigerlich ins Schleudern kommen.

Planung ist alles

Sinnvolles Zeitmanagement und unerwartete Zwischenfälle einzuplanen hilft, Stress zu vermeiden.

Wer einfach drauflosarbeitet, wird immer wieder vor unlösbaren Teilaufgaben stehen. Dann bleibt oft keine Zeit mehr, ausreichende Unterstützung zu suchen oder nötige Informationen zu beschaffen. Jede Aufgabe vorher in Teilschritte zu zerlegen, macht sie übersichtlich, zeigt, wo nötige Ressourcen fehlen, und ermöglicht, den Zeitpunkt ihrer Erledigung im Vorhinein festzulegen.

Zeitmanagement-Experten empfehlen, zwischen 40 und 50 Prozent der Zeit für unerwartete Eventualitäten als Puffer einzuplanen. Einzukalkulieren sind dabei auch Pausen sowie Zeit für eine kurze Rückschau und Manöverkritik. Dabei lässt sich feststellen, wo das tatsächliche Tun vom Plan abgewichen ist und warum. Nur so lassen sich Schwachstellen und Defizite, die eigenen wie die der anderen, nach und nach aus der Welt schaffen.

Klärende Gespräche führen

Kommunikation mit den Kollegen verhindert Missverständnisse und stressreiche Konflikte.

Niemand arbeitet allein. Aufgaben werden von oben herangetragen bzw. sind durch Aufträge begründet und Teile davon werden nach unten delegiert. In all diesen Prozessen schleichen sich Reibungsverluste und Fehler ein, die in Summe einiges an Stress verursachen. Statt einen Fehler schnell selbst zu reparieren, kann es manchmal zwar etwas länger dauern, einem Mitarbeiter zu erklären, was er falsch gemacht hat, was man eigentlich erwartet hatte, und zu analysieren, wie der Fehler entstanden ist. Wer das nicht tut, läuft jedoch Gefahr, bei der nächsten Aufgabe vor dem gleichen Problem zu stehen, und bringt sich und seine Kollegen um die Chance, zu einem eingespielten Team zu werden.

Den Sinn erkennen

Wem nicht klar ist, was er zu tun hat, der steht unter Stress, noch bevor er mit der Arbeit begonnen hat.

Viele Aufgaben machen Stress, weil die Anforderungen unklar formuliert sind oder der dahinter liegende Sinn und der Zusammenhang, in dem sie stehen, nicht durchschaut wird. Wer nicht weiß, wofür er arbeitet und welche Konsequenzen sein Tun oder mögliche Fehler haben könnten, steht schon vor Beginn der Arbeit unter Stress. Leider ist es immer noch in vielen Betrieben so, dass Information trotz dieser wichtigen Erkenntnis vor allem eine Holschuld ist. Aktiv nachzufragen, sich die Informationen, die man braucht, auch zu beschaffen, ein kurzes Gespräch mit jenen zu führen, die im Gesamtprozess vor und nach einem am gleichen Projekt arbeiten, hilft, den eigenen Stress gering zu halten – und ist außerdem ein wirkungsvoller Erziehungsprozess, der im Idealfall dazu führt, dass in Zukunft die nötigen Fakten und Details gleich mit dem Arbeitspaket auf den Schreibtisch geliefert werden.

Den Arbeitsplatz gestalten

Auch äußere Umstände wie ergonomische Arbeitsplätze und gutes Raumklima sorgen dafür, dass sich Stress gar nicht erst aufbaut.

Banal, aber wichtig sind die Arbeitsbedingungen. Schlecht gestaltete Arbeitsplätze sind leider immer noch weit verbreitet, auch dort, wo die Infoblätter des Betriebsarztes anderes beschreiben. Oft ist das einfach Ignoranz, und die meisten Arbeitgeber wissen heute über den Wert von gesundheitsvorbeugenden Maßnahmen so viel, dass sie sich einer Initiative aus der Belegschaft wohl kaum verschließen können. Zudem trat mit 1. Jänner 2013 eine Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz in Kraft. Sie stellt einerseits klar, dass unter Gefahren am Arbeitsplatz neben körperlichen auch psychische Belastungen gemeint sind. Andererseits ist eine Arbeitsplatzevaluierung vorgeschrieben. Im Zuge dieser Evaluierung ist zu prüfen, ob arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen vorliegen, die zu Fehlbeanspruchungen der Mitarbeiter führen können. Ist das der Fall, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, diese Belastungen zu reduzieren.

Neben der Ergonomie sollten auch das Raum- und das Kommunikationsklima einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Wo Zug herrscht, die Klimaanlage immer zu warm oder kalt bläst und Lärm ein ständiger Begleiter ist, kann niemand konzentriert arbeiten. Und wo kein Raum für einen spontanen Gedankenaustausch zu finden ist, hat der Stress leichtes Spiel.

Über die Zeit verfügen

Jeder Mensch hat andere Leistungskurven. Wer seine Arbeit danach richten kann, ist besser dran.

Wer eigenständig gestalten kann, mindert den Stress. Das gilt vor allem für die Arbeitszeit. Jeder Mensch hat andere Leistungskurven, manche schaffen am frühen Morgen mehr als im Laufe des restlichen Tages, andere sind eher Nachteulen. Viel Stress entsteht auch, weil sich die Bürostunden nur schwer mit den sonstigen Alltagsverpflichtungen, wie Kinder zur Schule zu bringen oder sie am Nachmittag betreuen zu können, vereinbaren lassen. Moderne Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern inzwischen flexible Gleitzeitregelungen mit großzügigen Durchrechnungszeiträumen an.

Sich selbst verändern

Es ist nicht einfach, aber immer möglich: die eigenen Einstellungen und Ziele hinterfragen.

Da Stress erst in uns entsteht, ist die Überprüfung der eigenen Zugänge zu den Anforderungen des Lebens der zentrale Punkt im Stressmanagement. Viele der eigenen Einstellungen und Ziele, wie etwa allzu perfektionistische Leistungsansprüche, lassen sich bei kritischer Überprüfung auf ein gesundes Maß revidieren. Ebenso lassen sich viele Schwierigkeiten – den richtigen Zugang vorausgesetzt – als Herausforderungen interpretieren.

Niemand ist perfekt

Keine Fehler macht nur, wer nichts tut. Den richtigen Umgang mit Fehlern kann man lernen.

Gestehen Sie sich zu, auch einmal Fehler machen zu dürfen. Sehen Sie Arbeit als lustvolles Experimentieren, zu dem Irrtümer, Irr- und Umwege nun einmal dazugehören. Menschen, die an sich selbst überzogen perfektionistische Ansprüche stellen, leiden öfter unter Stress und Stress-Symptomen als andere. Überprüfen Sie Ihre inneren Monologe und die Leitsätze, die Ihnen vielleicht schon Ihre Eltern eingeimpft haben: Sätze wie „Fehler sind unverzeihlich“, „Auf mich kann sich jeder immer 110-prozentig verlassen“ oder „Einen Termin, den ich nicht halte, gibt es nicht“, sollten Sie alarmieren.

Kalkulieren Sie bei der Planung jeder Aufgabe mit ein, dass Sie auch scheitern könnte. Natürlich ist das nicht Ihr Ziel, aber es hilft oft, sich die schlimmste vorstellbare Konsequenz daraus vorzustellen. Was passiert wirklich, wenn der Projektabschlussbericht drei Tage später als geplant auf dem Tisch des Vorstands landet? Welche Bedeutung wird dieser Stressmoment am Ende der Woche noch haben, welche am Ende des Jahres und welche, wenn ich längst schon meinen Ruhestand genieße? Die Erkenntnis, dass ein kleiner Rückschlag meist nicht das Ende der Welt bedeutet, befreit und hilft mit, dass er gar nicht erst passiert.

Auch eine bewährte Strategie: Überlegen Sie bei aufkommenden Versagensängsten, ob Ihnen jemand einfällt, der dieser Aufgabe besser gewachsen wäre. Wenn nicht, können Sie sich beruhigt sagen, dass sie bei Ihnen demnach im Wortsinn in den besten Händen liegt. Wenn doch, versuchen Sie sich vorzustellen, wie dieser an die Sache herangehen würde. Oder noch besser: Fragen Sie ihn einfach selbst.

Die gleiche Toleranz sollten Sie übrigens anderen entgegenbringen. Auch Ihre Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzten sind nicht perfekt, und sie werden es auch nicht, wenn Sie jeden Fehler mit unversöhnlichem Groll registrieren.

Sich abgrenzen

Die Angst, anzuecken, kennt jeder. Doch manchmal muss man auch Nein sagen können.

Jeder will beliebt sein, seinen unbestrittenen Platz im Team haben, mit allen gut auskommen. Das ist auch richtig so, denn in einem solchen Arbeitsklima lässt sich leichter stressfrei arbeiten. Aber ebenso gut können unrealistische Erwartungen und übertriebene Angst vor Ablehnung Stress erst bewirken. Wer „andere nie enttäuschen“ sowie „immer mit allen gut auskommen“ will und Kritik nicht ertragen kann, wird sich selbst auf Dauer zu sehr unter Druck setzen, keine Bitte abschlagen und es letztlich nicht schaffen, alles unter einen Hut zu bringen. Machen Sie sich bewusst, dass ein klares Nein von Vorgesetzten und Kollegen auch als Zeichen von Professionalität und klarer Prioritätensetzung gesehen werden kann. Selbst wenn diese zunächst wenig erfreut reagieren, schafft das meistens immer noch weniger Unmut, als wenn am Ende alle gleichzeitig nicht das bekommen, was sie sich von Ihnen erwartet haben.

Hilfe suchen und akzeptieren

Im Team geht vieles leichter. Unterstützung bekommt aber nur, wer sie selber zu geben bereit ist.

Wer es schrecklich findet, auf „andere angewiesen zu sein“, am liebsten „alles allein macht“ und meint, „verlassen zu sein, wenn er sich auf andere verlassen muss“, kann so gut wie sicher davon ausgehen, dass seine Stresswerte erhöht sind. Wer nur sich selbst vertraut und Dinge nicht delegieren kann, wird sich zwangsläufig so viel Arbeit aufhalsen, dass er sie irgendwann nicht mehr bewältigen kann. Dabei verlieren alle: Sie Ihre Lebensqualität, die Mitarbeiter und Kollegen ihr Selbstwertgefühl und das Unternehmen seine Zukunftsperspektiven, weil Sie bald keine Zeit und Energie mehr haben werden, sich um die eigentlichen Aufgaben zu kümmern.

In Wahrheit stehen hinter solchen Einstellungen Ängste vor Abhängigkeit und der eigenen Schwäche. Machen Sie sich klar, wie oft Sie anderen helfen und nehmen Sie die gleiche Unterstützung von anderen in Anspruch. Denken Sie über Ihre so genannten Kernkompetenzen nach, also jene Fähigkeiten, die Sie am meisten auszeichnen. Erledigen Sie diesen Teil einer Aufgabe mit Lust und Leichtigkeit und suchen Sie andere, deren zentrale Fähigkeiten dazu passen, für die gemeinsame Aufgabe zu gewinnen.

Das Positive sehen

Wer nur noch Negatives wahrnimmt, tut sich schwer aus dem Stressteufelskreis auszubrechen.

Gerade wenn der Druck groß wird, neigen manche Menschen dazu, die Welt nur noch durch die dunkelgraue Brille zu sehen. „ALLE hier sind unfähig“, „NICHTS gelingt“, „Das alles wird NUR auf meinem Rücken ausgetragen“, „Es wird ALLES den Bach runtergehen“.

Wer im Gesamtzusammenhang nur noch die negativen Dinge wahrnimmt, aus einem konkreten Problem generalisierend ein allgemeines macht, alles, was schief läuft, auf sich bezieht und die möglichen Folgen gleich zur globalen Katastrophe hochstilisiert, wird aus dem Stressteufelskreis niemals ausbrechen können.

Treten Sie in solchen Momenten einen Schritt zurück und betrachten Sie das Geschehen noch einmal aus größerer Distanz. Dann werden Sie erkennen: Nicht ALLE sind unfähig, sondern eine bestimmte Person hat einen Fehler gemacht. Gleich daneben kann jemand sitzen, der gerade die Fähigkeit besitzt, die jetzt zur Schadensbegrenzung gefragt wäre. Nicht NICHTS gelingt, sondern diesmal ist etwas Konkretes oder wahrscheinlich sogar nur ein Teil davon schief gegangen. Machen Sie sich klar, wie oft das Gegenteil der Fall war, wie oft alles glatt ging (und bei der Gelegenheit gleich auch, wie wenig positive Beachtung dieses Gelingen gefunden hatte). Auch im aktuell verkorksten Projekt wird nicht alles falsch sein, sondern es wird brauchbare Teile geben, auf denen sich aufbauen lässt.

Manchmal hilft es außerdem, sich klar zu machen, dass jede Medaille ihre Kehrseite hat. Es gibt nichts Negatives, dem sich nicht auch etwas Positives abgewinnen ließe. Diese Seite ist nicht immer gleich zu erkennen, aber wer darauf vertraut, dass es sie gibt – oder zumindest gelten lässt, dass es sie geben könnte –, wird Rückschläge nicht ganz so tragisch nehmen. Gert Kaluza, einer der führenden deutschen Stressexperten, erzählt den Teilnehmern seiner Stressbewältigungskurse in dem Zusammenhang gerne das chinesische Gleichnis vom alten Mann und dem Pferd:

Der alte Mann und das Pferd
Hoch auf dem Felsen, abgeschieden,
lebten der Alte und sein Sohn,
in stiller Eintracht, wohlzufrieden.
Da lief den beiden das Pferd davon.
Der Nachbar, nach geraumer Frist,
kam, den Verlust mitzubeklagen.
Da hörte er den Alten fragen:
„Wer weiß, ob dies ein Unglück ist?“
Und bald darauf, im nahen Walde,
vernahmen sie des Pferdes Tritt.
Das kam und brachte von der Halde
ein Rudel wilder Rosse mit.
Der Nachbar, schon nach kurzer Frist,
pries den Gewinn nach Menschenweise.
Da lächelte der Alte leise:
„Wer weiß, ob dies ein Glücksfall ist?“
Nun ritt der Sohn die neuen Pferde.
Sie flogen über Stock und Stein,
ihr Huf berührte kaum die Erde.
Da stürzte er und brach ein Bein.
Der Nachbar, nach geraumer Frist,
kam, um das Leid mit ihm zu tragen.
Da hörte er den Alten fragen:
„Wer weiß, ob dies ein Unglück ist?“
Bald dröhnten die Trommeln durch die Gassen
Es ist die Kriegsproklamation.
Ein jeder muss sein Land verlassen.
Doch nicht des Alten lahmer Sohn.


Von anderen das Beste erwarten

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Das gilt im Positiven wie im Negativen.

Kennen Sie die Geschichte von dem Mann, der einen Nagel einschlagen will, aber keinen Hammer hat? Der österreichische Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut Paul Watzlawick hat sie ihn seinem Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“ erzählt:

Besagter Mann macht sich auf, um von seinem Nachbarn einen zu borgen. Auf dem Weg dorthin kommen ihm Zweifel: Was ist, wenn er mir den Hammer gar nicht leihen will? Der hat doch gestern schon irgendwie unfreundlich gewirkt. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht hat er die auch nur vorgeschützt, um mich nicht grüßen zu müssen? Dabei habe ich ihm gar nichts getan. Ein seltsamer Mensch, der mich so behandelt. Was fällt dem eigentlich ein? Undankbar ist der! Ich würde ihm doch im umgekehrten Fall meinen Hammer jederzeit borgen. Warum will er mir seinen dann nicht geben?

Am Ende der sich weiter und weiter aufschaukelnden Gedanken klopft der Mann an die Tür und brüllt, noch ehe der andere guten Tag sagen kann: „Behalten Sie doch Ihren Hammer. Von einem wie Ihnen will ich ohnehin nichts geborgt haben.“

So wie negative Gedanken sich verselbstständigen können und mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem negativen Ergebnis führen, so können das positive auch. Wer auf andere in der Erwartung zugeht, dass sie einem freundlich und hilfreich begegnen werden, wird mit einem Lächeln durch die Tür kommen und schafft selbst die Grundvoraussetzung dafür, dass die anderen genauso reagieren.

Loslassen können

Gerade wenn etwas schiefgegangen ist, sollte man sich die vielen Erfolge der Vergangenheit in Erinnerung rufen.

Lust und Frust sind so etwas wie siamesische Zwillinge. Das gilt für das Beziehungsleben wie für die Arbeit. Wichtig ist, beides zu sehen – gerade in schwierigen Zeiten. Wer am Ärger klebt und nur die unangenehmen Gefühle leben lässt, wird sich immer weiter unter Druck setzen und den Stress bald unerträglich finden. Ärger über Fehler und Schiefgelaufenes gehört dazu. Aber irgendwann muss auch wieder Schluss sein damit. Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Machen Sie einen Schlussstrich und gönnen Sie sich, wenn gerade etwas schiefgegangen ist oder auch wenn eine neue Herausforderung ansteht, eine kleine Reise in die Vergangenheit. Schauen Sie zufrieden auf Ihre Erfolge zurück, und dann drehen Sie sich um und blicken nach vorne. Stellen Sie sich das Ende des Projekts vor, wenn alle Ihnen auf die Schultern klopfen und zum erfolgreichen Abschluss gratulieren werden. Nehmen Sie die positiven Gefühle wahr und nehmen Sie sie auf den Weg in die neue Aufgabe mit.

Was ist, ist

Manchmal lassen sich Rahmenbedingungen nicht oder nicht so schnell ändern. Dann gilt es, flexibel zu sein.

Manchmal hilft alles nichts: Trotz bester Vorbereitung kommt irgendetwas dazwischen. Oder der unvorhersehbare Stau wirft die ganze Zeitplanung über den Haufen. Oder genereller: Manchmal lassen sich Rahmenbedingungen schlicht und einfach nicht oder nicht so rasch ändern. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die sich mit Unveränderlichem abfinden können, weniger oft unter Stress leiden als andere. Damit ist keine passive, resignative Grundhaltung gemeint, sondern die Fähigkeit, eine Situation und die eigenen Möglichkeiten, sie zu verändern, realistisch einzuschätzen. Wer von Grund auf meint: „Ich kann ohnehin nichts ändern“, wird ebenso erhöhte Stresswerte haben wie jemand, der seine Fähigkeiten falsch einschätzt und ständig mit dem Kopf durch die Wand will.

Unsicherheiten gehören dazu

Nicht alles lässt sich vorhersehen. Aber für gewöhnlich gibt es für alles eine Lösung.

Nicht nur die Situation wird von unserem inneren Programm bewertet, sondern auch die Art und Weise, wie wir darauf reagieren. Wer ärgerlich auf eine Bitte reagiert, im Grunde aber harmoniebedürftig ist, erzeugt ebenso eine neue Soll-Ist-Diskrepanz wie jemand, der beim Meeting nicht die richtige Antwort parat hat, rot wird oder sich verhaspelt, eigentlich aber den Anspruch hat, stets souverän erscheinen zu wollen. Das macht zusätzlichen Stress und erzeugt Angst vor der Angst, Nervosität wegen der Nervosität und Ärger über den Ärger. Gestehen Sie sich einfach ein gewisses Maß an Unsicherheit zu. Denken Sie daran, dass Sie keinesfalls der oder die Einzige sind, dem es so geht. Und eine Unsicherheit, zu der man stehen und die man notfalls humorvoll kommentieren kann, lässt sich immer in ein souveränes Auftreten verwandeln.

Sich selbst vertrauen

Zu wissen, was man bereits geschafft hat, hilft, positiv auf die nächste Herausforderung zuzugehen.

Auch wenn dieser Gedanke am Schluss dieser Anregungen steht, ist er vermutlich der wichtigste Schritt auf dem Weg zum stressfreieren Leben – und vielleicht auch der leichteste. Im ersten Schritt unseres innerlichen Stressbewertungsprogramms geht es schließlich um Gefühle und grundlegende, oft unbewusst wirkende Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale. Diese sind bekanntlich schwer zu verändern. Wenn die inneren Erwartungen mit den äußeren Anforderungen nicht übereinstimmen, entsteht Stress.

Der lässt sich aber im zweiten Bewertungsschritt gleich wieder abbauen. Wer auf die unbewusst gestellte Frage „Kann ich das?“ innerlich mit einem überzeugten Ja antwortet, wird den in die Höhe schießenden Blutdruck gleich wieder besänftigen. Helfen Sie aktiv nach, wenn sich dieser Effekt nicht von selbst einstellt. Überlegen Sie, wann Sie vor ähnlichen Aufgaben standen, und machen Sie sich klar, dass Sie diese auch bewältigt haben. Überprüfen Sie, ob Ihre erste Einschätzung von der Bedrohlichkeit einer Situation wirklich zutrifft. Vielleicht hatten sie einen schwachen Moment und haben die Belastung überbewertet. Vielleicht haben Sie auch unterstützende Faktoren übersehen.

Selbst wenn Sie sich auf Anhieb an keine vergleichbare Aufgabe erinnern können, die Situation tatsächlich Neuland ist und neue Fähigkeiten fordert, machen Sie sich klar, dass dies nicht zum ersten Mal geschieht. Sie waren auch in der Vergangenheit schon auf unbekanntem Terrain unterwegs und haben noch immer Ihren Weg gefunden. Schließlich wären Sie sonst gar nicht in der Situation, dass Ihnen jemand eine schwierige – und deshalb verantwortungsvolle – Aufgabe übertragen will.

Zerlegen Sie das Problem in möglichst kleine Teilaufgaben. Das nimmt dem Stress schon den stärksten Wind aus den Segeln, weil ein Großteil der einzelnen Puzzlesteine mit Ihren Routinefähigkeiten bewältigbar ist. Und vergessen Sie nicht, auf der schwierigsten Etappe immer wieder mal innezuhalten und zurückzublicken. Dabei können Sie die ersten Teilerfolge Ihrer Lösungsstrategie sehen und zur letztlich stressreduzierenden Einsicht gelangen: „Na siehst du, ich kann das ja doch!“

Die Stressreaktionen verändern

Wer sich einen geeigneten Ausgleich verschafft, kann mit Stresssituationen besser umgehen.

Wer so viele Stressfaktoren wie möglich aus der Welt schafft und sich für die verbleibenden einen pfleglichen inneren Umgang zurechtlegt, hat schon viel für ein stressfreieres Leben getan. Ganz vermeiden werden sich Belastungen aber nie lassen, und bis zu einem gewissen Grad wäre das auch nicht wünschenswert. Als dritte Strategie im Kampf gegen den Stress bleibt, geeigneten Ausgleich für bestehende Belastungen zu finden. Instinktiv weiß jeder, dass das notwendig ist. Im Alltag wird die Entspannung aber oft in eine ferne Zukunft, am besten gleich auf den Ruhestand verschoben. Je größer der Stress, desto mehr entspannende Momente werden abgesagt, Freunde, die einen emotionalen Ausgleich bieten könnten, vernachlässigt und Hobbys oder sportliche Aktivitäten auf Eis gelegt. Für ganz kurze Hochleistungsphasen mag das angehen; wer seine Prioritäten aber auf Dauer so verschiebt, wird immer weniger leistungsfähig, jede Belastung doppelt so schwer erleben, noch weniger Zeit für Entspannung haben und irgendwann die Fähigkeit zur Regeneration völlig verlieren.

In der Freizeit frei sein

Entspannung bedeutet frei von Spannung. Deshalb ist es besser, in der Freizeit nicht wieder Leistungen erbringen zu wollen.

Wenn die Arbeit ruht, sollten auch die Normen der Arbeitswelt ruhen. Aber Forscher stellen fest, dass auch die Freizeit zunehmend von Leistungsdenken, Perfektionismus, Ehrgeiz und Prestigedenken geprägt wird. Hektik, Ungeduld, die Angst, den neuesten Trend zu verpassen, lassen oft keinen Raum mehr für wirkliche Entspannung.

Dabei ist es wichtig, dass die gewählte Art der Erholung auch wirklich einen Ausgleich zum alltäglichen Tun bietet. Wer nach einer anstrengenden Woche innerlich nicht zur Ruhe kommt, wird diese bei einem kontemplativen Spaziergang oder bei Ausdauersportarten eher finden als bei einem sportlichen Wettstreit, wie etwa einem Kegelturnier. Schlechte Laune lässt sich beim Sport gut abbauen, und wer die ganze Zeit Kopfarbeit geleistet hat, findet vielleicht in handwerklichen Beschäftigungen Befriedigung.

Sport und Bewegung

Ausdauersport, Yoga oder ganz einfach ein Spaziergang an der frischen Luft sind hoch wirksame Stressbremsen.

Körperliche Bewegung, das ist in vielen Studien eindrucksvoll belegt, gehört zu den effizientesten Waffen im Kampf gegen den Stress. Besonders Ausdauersportarten sorgen für psychisches Wohlbefinden und beugen den körperlichen Folgen von Stress vor.

Soziales Netz pflegen

Mit Freunden und in der Familie kann man auf andere Gedanken kommen und sämtliche Belastungen der Woche vergessen.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, und gesunde, glückliche Menschen sind das in besonderem Ausmaß. Enge Familienbande oder ein stabiler Freundeskreis können daher ebenso maßgeblich dazu beitragen, dass Stress-Situationen keine längerfristigen negativen Folgen mit sich bringen. Oft reicht es schon, einen geduldigen und mitfühlenden Zuhörer zu haben, um Spannungen abbauen und seine Gedanken ordnen zu können.

Zahlreiche Studien beweisen, dass die Dichte des sozialen Netzes wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit und die Lebenserwartung hat. So hatten schwedische Frauen, die im Alter zwischen 31 und 65 Jahren darauf untersucht wurden, ob sie an einem metabolischen Syndrom – Übergewicht, hohe Blutdruck-, Blutzucker- und Blutfettwerte – litten, ein 3,5fach geringeres Risiko, wenn sie über einen großen Freundeskreis und eine intakte Familie verfügten.

Gerade in harten Zeiten sollte die Prioritätensetzung deshalb klar sein. Wer trotz Stress auch die außerberuflichen Termine nicht zu kurz kommen lässt, verliert nicht zusätzlich Zeit, sondern schafft Ausgleich und tankt Kraft für den nächsten harten Tag.

Genießen lernen

Auch im Alltag nach genussvollen Augenblicken zu suchen und sie zu finden ist ein guter Ausgleich für den Stress.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Diesen Leitsatz haben uns schon die Eltern eingetrichtert. Kein Wunder also, wenn viele heute ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich etwas Gutes tun, obwohl der Berg noch lange nicht abgearbeitet ist. Der Satz ist definitiv falsch. Richtig müsste er etwa lauten: „Genieße deine Arbeit – und sorge dazwischen für zusätzlichen Genuss.“ Das muss nicht immer gleich ein ausgiebiger Urlaub sein. Wer auch in hektischen Phasen ausreichend Zeit mit Freunden und der Familie verbringt und diese auch bewusst nutzt, findet dabei immer lustvolle Momente.

Suchen Sie auch im Alltag nach genussvollen Augenblicken. Beim Essen abzuschalten und bewusst zu schmecken kann ebenso ein kleiner Urlaub für die Seele sein wie sich ein paar Minuten ins Gras zu legen und die Wiese und ihren Geruch intensiv wahrzunehmen.

Entspannungstraining

Meditation, Autogenes Training oder andere Methoden der Entspannung kann man ohne großen Aufwand lernen.


Was nicht gegen Stress hilft

Alkohol, Medikamente und Wutausbrüche mögen kurzzeitig wie Erleichterung wirken, können die Belastungen aber noch verstärken.

Leider gibt es kein Patentrezept im Kampf gegen den Stress, und selten führt eine isolierte Strategie allein zum Erfolg. Generell lassen sich die Ergebnisse der Stressforschung so zusammenfassen: Effizient ist alles, was zur Neubewertung einer Situation beiträgt und aktives, problemlösungsorientiertes Handeln begünstigt. Als wenig effizient haben sich folgende Strategien herausgestellt:
  • Alkohol, Medikamente, Drogen;
  • die Flucht in realitätsferne Wunschphantasien;
  • den Ärger in sich hineinzufressen. Wer Ärger, Unmut oder Unzufriedenheit nicht zum Thema macht, verlängert die Konflikte und damit den Stress;
  • den Ärger an anderen auszulassen. Das schafft meist Schuldgefühle und damit neue Spannungen sowie zusätzlichen Stress. Wenn Ärger gezeigt wird, sollte das immer zum Ziel haben, ihn aus der Welt zu schaffen. Ungebremste Aggressivität ist da selten ein guter Anfang;
  • Selbstabwertung, Selbstvorwürfe, Selbstbeschuldigung;
  • Selbstmitleid;
  • Resignation;
  • Verleugnung der belastenden Situation. Wer sich einredet, gar kein Problem zu haben, nimmt sich selbst jede Chance, es aus der Welt zu schaffen. Menschen mit solchen Tendenzen haben in allen Untersuchungen höhere Stress- und schlechtere Gesundheitswerte. Eine Ausnahme stellen hier allerdings tiefgreifende Lebenseinschnitte wie der Tod eines Partners oder eine schwere Krankheit dar. In solchen Fällen kann die zeitweilige Verdrängung den totalen Zusammenbruch verhindern und in der Folge – abwechselnd mit der bewussten Auseinandersetzung – zu einer stressfreieren Bewältigung beitragen.

Die Anti-Stress-Formel

Die Probleme identifizieren, optimistisch ans Werk gehen und sich selber auf die Schliche kommen stehen am Anfang eines Lebens ohne negativen Stress.

  • Innere Einstellungen prägen unseren Zugang zu den Dingen. „Ich kann das nicht.“ „Das wird nie gutgehen.“ „In der Zeit ist das nicht zu schaffen.“ „Ich muss perfekt sein.“ All das macht Stress.
  • Sind die persönlichen Stressfallen erst einmal erkannt, ist bereits der erste Schritt getan. Der zweite sollte sein, die unrealistischen und irrationalen Gedanken und Ansprüche durch andere zu ersetzen.
  • Finden Sie heraus, wo Ihr größtes Problem liegt, und überarbeiten Sie Ihr inneres Konzept. Fassen Sie das Ergebnis in einem kurzen und bündigen Satz zusammen:
    • Gegen unrealistischen Perfektionismus etwa: „Jeder macht mal einen Fehler! Niemand ist perfekt!“
    • Gegen zu großes Harmoniebedürfnis etwa: „Ich kann auch Nein sagen! Wer mich nur schätzt, wenn ich immer Ja sage, kann es auch bleiben lassen!“
    • egen mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten etwa: „Ich hab schon viel geschafft! Ich kann mehr als die meisten, also werden die meisten Aufgaben zu schaffen sein!“
    • Gegen zu großes Kontrollbedürfnis etwa: „Hilfe anzunehmen ist keine Schande. Schließlich helfe ich ja auch anderen!“
    • Gegen zu großes Sicherheitsbedürfnis etwa: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“

Ihre persönliche Anti-Stress-Formel sollten Sie immer präsent haben. Wiederholen Sie sie bei jeder Gelegenheit, etwa morgens beim Joggen oder wenn Sie die Morgenroutine im Büro erledigen. Vielleicht machen Sie auch ein Lied daraus, das Sie unter der Dusche singen.

Auch wenn das zunächst vielleicht lächerlich klingt – es wirkt. Sie haben Ihre alten Muster jahrelang mit sich herumgetragen, sie innerlich genau so vor sich hergesagt, und diese haben auch gewirkt. Es braucht einige Zeit und ständige Wiederholung, bis die neuen Leitsätze die alten ersetzen und wirklich Teil Ihrer Persönlichkeit werden.

Am wirkungsvollsten ist es, die neuen Leitsätze mit Entspannungsübungen zu verbinden. Dabei werden die Gedanken mit den angenehmen Gefühlen verknüpft, die im Zustand der Entspannung ganz automatisch entstehen, und so leichter und dauerhafter im Gedächtnis verankert. Bis sie zu einem Teil Ihrer Persönlichkeit geworden sind.



Redakteur: Christian Skalnike (Journalist)
Aktualisierung: 12.11.2015, Elisabeth Tschachler (Journalistin)
Medizinisches Review: Priv.-Doz. Dr. rer. Med. Dipl.-Psych. Jochen Jordan (Psychologie), Dr. Ursula Pueringer (Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizin, Public Health)

Diese Informationen können den Besuch beim Arzt nicht ersetzen, sondern können Ihnen helfen, sich auf das Gespräch mit dem Arzt vorzubereiten. Eine Diagnose und die individuell richtige Behandlung kann nur im persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient festgelegt werden.

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