Selbstwert - Susanne Prosser
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10 Dinge, die wir überhaupt nicht müssen

Oft glauben wir, gewisse Dinge tun zu müssen. Dabei hinterfragen wir gar nicht, ob das wirklich so ist. Hier sind 10 Dinge, auf die wir getrost verzichten dürfen.

1. Sich rechtfertigen

Durch eine Rechtfertigung versuchen wir, eine Handlung, die unserer Meinung nach richtig ist, zu erklären. Sollten wir nicht. Denn überlegen Sie mal: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich rechtfertigen? Wie sieht Sie die andere Person dabei? Warum glauben Sie eigentlich, der anderen Person überhaupt eine Erklärung oder gar eine Entschuldigung abgeben zu müssen? Lassen Sie es einfach bleiben. Kommunizieren Sie die Fakten und lassen Sie Nachsätze, die mit „weil“, „da“ oder „aber“ beginnen, einfach weg.

2. Sich entschuldigen

Bei Entschuldigungen verhält es sich oft ähnlich. Sie sind einerseits wichtig, um nach Konflikten, Streits oder Missverständnissen mit der anderen Person wieder ins Reine zu kommen. Aber wir müssen uns nicht um jeden Preis entschuldigen. Tun Sie es nur, wenn Sie es meinen.

3. Verzeihen und Schwamm drüber

Wie oft haben wir es schon gehört und gelesen: “Verzeihen macht frei.” Verzeihen macht uns zu besseren Menschen – nicht unbedingt für die anderen, aber für uns selbst. so steht es jedenfalls in den Ratgebern. Wer verzeiht, wird glücklich. Das kann manchmal stimmen. Doch es gibt Situationen, die so schlimm sind, dass man sich doch wirklich fragt: „Wie bitte, um alles in der Welt, soll ich das jemals verzeihen?“ Anstatt sich abzumühen mit den Ratgebern, die flockige Anleitungen dafür geben, wie das Verzeihen von mitunter schweren Verletzungen und Vergehen besser gelingt, sparen Sie sich die Quälerei doch einfach. Man kann auch bewusst sagen „Das verzeihe ich dir nie!“, und einen Schlussstrich und Konsequenzen daraus ziehen. Es lebt sich so oft ehrlicher.

4. Mit den Eltern und der ganzen Familie ein gutes Verhältnis haben

In jedem therapeutischen Prozess spielt das Elternhaus eine große Rolle. Wie sehr wurde man von Vater und Mutter geliebt, welche Botschaften haben sie einem mitgegeben? Es ist ganz normal, dass dabei nicht alles im Reinen ist. Und es gehört zum Erwachsensein dazu, die Vergangenheit anzunehmen, sich von den Eltern abzugrenzen und zu sagen: “Das ist dein Päckchen, das ist meines. Und jeder trägt seines.”
Auf der anderen Seite ist es nunmal so, dass wir uns unsere Familie nicht aussuchen können. Es kann vorkommen, dass der Einfluss der Eltern – oder anderer Familienmitglieder – erwachsene Menschen vehement in Ihrem Selbstsein blockiert. Oft kam oder kommt es immer wieder zu schweren Grenzüberschreitungen und selbst nach langem Bemühen ist es nicht absehbar, dass sich eine Veränderung abzeichnet. Immer wieder stößt man auf Uneinsichtigkeit der Eltern oder der Familie. Dann, ja dann: Dann dürfen und müssen wir den Kontakt zu den Eltern oder der Verwandtschaft auch abbrechen. Ohne uns dafür schlecht zu fühlen.

5. Andere an erste Stelle zu setzen

Ja, es ist wichtig, für andere da zu sein. Wir sollten alle nicht zu Egoschweinen mutieren und für unseren anderen Vorteil über Leichen gehen. Alles hat schließlich seine Grenzen. Doch es gibt einen Grund, warum gesunder Egoismus so gut tun kann. Fakt ist nämlich: Menschen kommen und gehen, aber die Beziehung zu sich selbst wird immer bleiben. Darum ist es Zeit, uns selbst an die erste Stelle zu setzen. Aus dieser Perspektive kann man dann immer noch auf die anderen Rücksicht nehmen …

6. Selbstliebe

Überall wird es uns aufgerückt: „Liebe dich einfach selbst, so wie du bist, dann wird alles gut.“ Aber ist das wirklich immer so einfach, und müssen wir uns selbst wirklich bedingungslos mit jeder Faser lieben? Oder dürfen wir auch Dinge haben, die wir einfach überhaupt nicht an uns mögen? Ja, dürfen wir. Und das ist gut so. Selbstliebe ist nämlich nicht der Schlüssel zum allumfassenden Glück. Und sie ist auch gar nicht so einfach umgesetzt, wie gesagt. Es ist also ok, sich nicht immer und überall bedingungslos selbst zu lieben. Und: Auch die anderen sind gefordert, ihren Teil zu einem funktionierenden Miteinander beizutragen.

7. Abnehmen

Der Sommer naht – haben Sie nach einem nahrhaften Winter mit vielen Rezepten und süßen Präsenten schon Ihre Bikinifigur erreicht? Passen Sie schon ins Schema? Erfüllen Sie schon die Erwartungen? Wenn nicht: Gratulation! Sie haben das Richtige getan.
Diäten stehen tatsächlich nur genau dann an, wenn die Gesundheit es erfordert. Oder, wenn wir uns tief drinnen selbst mit unserem Gewicht unwohl fühlen. Und zwar nicht deshalb, weil abgemagerte Model-Hungerhaken uns in den Katalogen die neuesten Bikinis mit ihren Waschbrettbäuchen präsentieren. Diese Damen sind Models und das Dünnsein gehört zu ihrem Job. Aber es ist nunmal nicht jeder Mensch dieser Welt ein Model. Abgesehen davon, sind genussfreudige Menschen ohnehin meistens die, mit denen man mehr Spaß haben kann. Und darauf kommt’s doch an im Leben, oder?

8. Karriere machen

Es ist schon unglaublich, was Frauen (und auch Männer!) heute alles leisten. Sie sind top ausgebildet, rackern sich ihre Lebenszeit in Stressjobs für Firmen ab, die gar nicht ihnen selbst gehören und schaukeln nebenbei noch Kinder, Haushalt und Beziehung. Dabei sehen Sie auch noch blendend aus! Müssen sie auch, weil das Aussehen schließlich Teil jedes Erfolges ist – richtig?
Nein, falsch. Es ist ein totaler Fail: Diese Menschen schrammen tagtäglich knapp am Nervenzusammenbruch vorbei und sagen sich dabei auch noch “Who cares – so ist das Leben!” Es soll auch eine Reihe an Fällen geben, die diese Wahnsinnsaufgaben sogar noch als allein erziehender Elternteil mit viel Mühe auf die Reihe bringen und auf der Karriereleiter höher und höher steigen. Dass da keine Zeit für sich selber bleibt, war ja klar – aber wozu denn Zeit für sich selbst, für Freizeit, Spaß und Glück? Ja, das kann ich schon sagen, wozu: Weil es Ihr Leben ist. Und Sie nur das eine haben.

9. Vernünftig sein

Die Vernunft ist so etwas wie einmal die strenge Mutter zum kleinen Kind gewesen ist. Wenn man der Vernunft folgt, fühlt man sich zwar nicht glücklicher, aber man spürt dieses anerkennende Schulterklopfen in sich drin: „Bravo, gut gemacht! Du hast dich zwar gegen die Freude entschieden, dafür kann dir jetzt nichts passieren. So soll es sein, so soll es bleiben!“ Denkste. Zeigen Sie der Vernunft ruhig auch mal die kalte Schulter und lassen Sie sie nicht immer über Ihre Entscheidungen bestimmen. Die besten Dinge kommen manchmal aus etwas ganz Unvernünftigem heraus.

10. Unkompliziert sein

Männer mögen unkomplizierte Frauen, heißt es in Ratgebern mit Titeln wie „So finden Sie den Mann, der bei Ihnen bleibt“ oder „So verliebt er sich in Sie“. So entstehen Prototypen von „der coolen Frau“ die, stets mit einem souveränen Lächeln im Gesicht, dem freiheitsliebenden Mann jeden Wunsch von den Augen abliest und ihn ohne zu mucken zu jeder Zeit tun und machen lässt, wonach es ihm gerade gelüstet. Ob mit ihr oder ohne sie. Er möge sich bloß nicht eingefangen oder zu irgendeiner Verpflichtung genötigt fühlen, die man in einer Beziehung mit „sich einlassen“, „Verantwortung übernehmen“ oder „sich um andere Menschen sorgen“ gleichsetzen kann. Das ist die coole, unkomplizierte Frau.

Solche Bücher treiben Frauen wir mir die Zornesfalten auf die Stirn. So ein Unsinn zwischen zwei Buchdeckeln, der da gegen Geld vertrieben wird. Erstens ist es sowas von egal, was „die Männer wollen“, weil man es denen, denen frau es nie recht machen kann, ohnehin nie recht machen kann, ohne sich selbst ganz hinten anzustellen. Und zweitens hat die Praxis schon längst das Gegenteil bewiesen. Dass Beziehungen erst dann interessant werden, wenn Ecken und Kanten zum Vorschein kommen. Und zwar auf beiden Seiten.

Ob Mann oder Frau: Wir müssen uns wirklich nicht anpassen oder verbiegen, nur, damit wir anderen Menschen nicht auf die Nerven gehen. Nein: Wir sollen und müssen für uns einstehen. Und zwar für alles, was uns wichtig ist und uns am Herzen liegt. Kann durchaus sein, dass das für andere oft richtig unangenehm wird. Who cares. Es ist nicht unser Problem.

Fazit:

Botschaften und Vorschriften, was wir zu tun und zu lassen haben, um “gute Menschen” zu sein, begegnen uns jeden Tag. Oft sind sie auch tief in unseren Köpfen als sogenannte “Glaubenssätze” verankert. Wenn wir uns einmal vor Augen führen, was wir alles nicht müssen, merken wir, wie bunt und leicht das Leben plötzlich wird. Probieren Sie es einfach aus!

 

Fotocredit: iStock/SIphotography

Aktualisiert am: 18. November 2019