Depression - Sandra Linde
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Die dunkle Seite der Macht: Die Geschichte meiner Depression

Ich nenne sie „die dunkle Seite der Macht“, denn eine Depression ist wahnsinnig dunkel und hat eine ungeheure Macht. Wie ein schwarzes Loch. Dies ist die Geschichte einer Depression, meiner Depression, wie sie sich so oder ähnlich jeden Tag bei vielen anderen Menschen abspielt. Und es werden jedes Jahr mehr.

Der lange Leidensweg der Depression

Es war ein schleichender Prozess. Bis die Depression ihr volles Ausmaß erreicht hatte, dauerte es etwa ein Jahr. Ein weiteres Jahr, bis ich mir eingestanden bzw. zugestanden hatte, depressiv zu sein und dann nochmal einige Monate, bis ich zum Psychiater ging und sagte: „Nichts geht mehr. Ich brauche Hilfe.“

Erstaunlich, wie leidensfähig und zäh der Mensch sein kann. Diesen langen Leidensweg hätte es nicht gebraucht. Aber wie viele andere Menschen auch, habe ich die Sache verharmlost, mir immer wieder gesagt, irgendwie würde es schon gehen – trotz Beschwerden. Den nächsten Tag, die nächste Woche, den nächsten Monat schaffe ich auch noch. Und irgendwann wird es besser.

Wenn man aber erst einmal an einem Punkt angekommen ist, an dem nichts mehr Freude macht, man nur noch funktioniert, schlafen ein Fremdwort wird und man vollkommen erschöpft ist, dann wird nichts einfach von selbst wieder besser. Dann steckt man mittendrin in der Depression, ist völlig handlungsunfähig, wie gelähmt. Man zieht sich zurück, möchte nur noch Ruhe haben, nichts mehr sehen, hören und nur schlafen. Den Schlaf tagsüber nachholen, den man nachts, aufgrund von Gedankenkreisen, nicht finden konnte. Bis ich eines Tages überhaupt nicht mehr aus dem Bett herauskam. Nicht mehr fähig war, mein Leben zu leben. An diesem Punkt, musste ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr kann, depressiv bin und Hilfe benötige.

Erste Hilfe vom Psychiater

Ich bin zum Psychiater gegangen, habe ein Antidepressivum bekommen und eine Psychotherapie begonnen. Danach fühlte ich mich relativ schnell etwas besser, allein schon, weil das Gefühl, etwas gegen die Depression unternommen zu haben, mir Auftrieb gegeben hat. Zudem habe ich die Flucht nach vorne ergriffen und Familie, Kollegen und Freunde informiert. Ich hatte das Glück, dass das Verständnis und die Rücksicht groß waren. Immer wieder gab es jemanden, der nachgefragt hat, wie es mir geht, der mir eine SMS geschickt hat, um mich wissen zu lassen, dass er an mich denkt. Es gab Menschen, die Ausflüge mit mir gemacht haben, mich haben erzählen lassen, für mich gekocht haben und mir das Gefühl gegeben haben, dass ich nicht allein bin. Das war rührend und sehr hilfreich.

Der Weg aus der Depression

Der Weg aus einer Depression, die schon fast zwei Jahre mein ständiger Begleiter war, war lang und steinig. Ich brauchte viel Geduld und Geduld ist nicht meine Stärke. Immer wieder gab es kleinere Rückschritte, immer wieder hatte ich das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen. Aber letztendlich habe ich es irgendwann geschafft. Ich konnte das, was ich in der Therapie gelernt hatte, immer besser umsetzen und in mein Leben integrieren, bis sich gewisse Abläufe automatisiert hatten. Der Umgang mit Tieren hat mir sehr geholfen, denn sie haben mich so genommen wie ich war. Antriebslos, schwach und nicht funktionsfähig. Ich habe mich damals viel mit Katzen und Hunden beschäftigt, sie haben mich beruhigt und mir gleichzeitig Kraft gegeben. Inzwischen ist die Angst, dass die Depression zurückkommt, ich in alte Muster verfalle, den Punkt übersehe, an dem es kippt, nicht mehr sehr groß. Sie ist immer da, wie ein Warnlicht im Hintergrund, das mich mahnt und daran erinnert, vorsichtig zu sein, auf mich zu achten, Grenzen zu setzen und rechtzeitig Auszeiten zu nehmen. Zurück bleibt aber dennoch das Wissen, die Depression besiegt zu haben und falls sie wieder einmal zuschlagen sollte, werde ich es wieder schaffen.

Aktualisiert am: 18. November 2019