Ängste und Phobien - Johannes Lanzinger (Instahelp)
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Sagen Sie Ihren Ängsten den Kampf an – mit künstlicher Wirklichkeit

Mit zitternden Knien und schweißnassen Händen steht Sarah in einem Glasaufzug im 30. Stock. Unter ihr breiten sich die Straßen von Barcelona aus und sie kann den fernen Lärm der Autos hören. Sarah fällt es schwer Ihre Angst zu kontrollieren. Und das, obwohl Sie weiß, dass Sie eigentlich im 4. Stock in einem Zimmer mitten in Wien steht. Den Aufzug sieht sie durch eine sogenannte VR-Brille von Phobius, einem psychologischen Zentrum, das sich auf Behandlung von Ängsten mit Virtueller Realität spezialisiert hat.

Angst – braucht doch kein Mensch?

Angst ist eigentlich etwas ganz Normales und Gesundes. Sie ist ein Schutzmechanismus, der uns hilft, gefährliche Dinge zu vermeiden. Jeder von uns kennt das beklemmende Gefühl, das uns daran hindert, zu nahe an einen Abhang zu gehen oder uns zu weit über eine Brüstung zu lehnen.

Wenn die Angst allerdings, wie bei Sarah, beginnt das alltäglichen Leben einzuschränken, verliert sie ihre ursprünglich hilfreiche Funktion und wird zum unliebsamen und ständigen Begleiter.

Phobien sind weit verbreitet. Manche Studien schätzen, dass jeder Dritte von uns schon einmal darunter gelitten hat. Besonders häufig sind die sogenannten spezifischen Phobien. Das sind Ängste vor bestimmten Dingen wie Spinnen, Höhe oder dem Fliegen.

Vermeidung – die Mutter aller Ängste

Die Angstsituation einfach zu vermeiden, scheint auf den ersten Blick eine sinnvolle Strategie zu sein. Doch dadurch nimmt die Angst im Laufe der Zeit weiter zu, weil wir so nicht lernen können, dass sie eigentlich unbegründet ist.

Beschäftigen und konfrontieren wir uns jedoch behutsam mit unseren Ängsten, können wir erleben, dass sich unsere schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheiten.

Die Konfrontation ist Hauptbestandteil der Expositionstherapie, der wirkungsvollsten Therapie für Ängste. Sie ist aber relativ aufwändig und nur wenige TherapeutInnen haben Zugang zu einer zahmen Spinne oder einem Flugzeug.

Das führt dazu, dass die meisten Phobien nie richtig behandelt werden. Stattdessen wird die Phobie als Teil der Persönlichkeit akzeptiert und das Leben an die Angst angepasst.

Virtuelle Therapie – eine Alternative?

Wissenschaftler forschen seit über 20 Jahre an einer Alternative zur klassischen Expositionstherapie:

Der Konfrontation in einer künstlichen Wirklichkeit, genannt virtuelle Realität (VR).

 
Eine VR-Brille lässt uns in eine dreidimensionale Welt eintauchen, in der wir uns frei bewegen und umschauen können. Anstatt der echten, krabbelt nun eine digitale Spinne über den Tisch.

Phobius - Virtuelle Therapie

Das hat gleich zwei Vorteile:
In der sicheren Umgebung der Virtuellen Realität lässt sich jede Phobie simulieren und es fällt uns leichter, der Angst virtuell in die Augen zu blicken, als in der Realität.

Begonnen wird meist mit leichteren Expositionsübungen, wie Zeichnungen zu betrachten oder die Situation in Gedanken zu erleben. Erst dann wird mit schwierigerem Material wie Videos oder der virtuellen Realität gearbeitet.

Meist ist ein langsames Herantasten angenehmer und vermittelt schon früh erste Erfolgserlebnisse. „Prinzipiell lassen wir unsere Klienten selbst entscheiden mit welchem Material sie arbeiten möchten – und ab wann und wie schnell sie mit der Konfrontation beginnen wollen. Wir stellen das Material und die Expertise zur Verfügung, die Richtung bestimmt der Patient“, so Christian Dingemann, Psychologe und einer der Gründer von Phobius.

VR-Therapie zeigt Wirkung

Es kommt einem vielleicht komisch vor, dass eine virtuelle Spinne genauso viel Angst auslösen soll, wie eine echte. Bedenkt man jedoch, dass jemand mit einer ausgeprägten Spinnenphobie nicht einmal die Zeichnung einer Spinne berühren kann, stellt eine virtuelle Spinne mit Sicherheit eine große Herausforderung dar.

Christian Dingemann erklärt: „Unser Gehirn kann nicht zwischen einer echten und einer simulierten Gefahr unterscheiden. Die Angstreaktion tritt binnen Millisekunden ein. Diese kurze Zeit reicht aus, um die Angst auszulösen, noch bevor man sich sagen kann, dass die Spinne gar nicht echt ist. Der große Vorteil der VR ist, dass die Situation absolut kontrollierbar ist und man sich so leichter an die Angst herantasten kann“.

Auch wissen wir ja meist, dass unsere Ängste unbegründet sind. Das Wissen alleine reicht aber nicht aus, um die Angst zu besiegen. Erst wenn Gehirn und Körper erleben, dass die Situation ungefährlich ist, kann die Angst besiegt werden. Und genau das funktioniert in der virtuellen Realität genau so gut wie in der echten Welt.

Dieser Artikel wurde als Gastbeitrag von unserem Instahelp Psychologen Johannes Lanzinger verfasst, der auch Mitgründer des Phobie Zentrums “Phobius” in Wien ist. Phobius therapiert Phobien mit virtueller Realität.

Fotocredits: (c) Phobius

Aktualisiert am: 6. Dezember 2022