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Ich bin dann mal offline: Über Ablenkungen und Digital Detox

Brauchte ein Brief von Berlin nach San Francisco einst 80 Tage, sind es heute 40 Stunden. Doch wer schreibt noch Briefe? Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hat sich diesbezüglich einiges getan. Und mittlerweile ermöglichen E-Mails, Messenger-Dienste oder soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und Instagram Kommunikation auf Echtzeit-Niveau, auch zwischen Berlin und San Francisco. Was ja per se nicht schlecht ist. Gäbe es da nicht die Erwartungshaltung, dass wir eben auch in Echtzeit kommunizieren müssen. Auf allen Kanälen. Und genau das verursacht Stress, denn die damit verbundenen Ablenkungen machen uns zu schaffen.

Konzentration? Nach drei Minuten rufen die nächsten Ablenkungen

Konzentriert eine Aufgabe nach der nächsten angehen? Wer das noch – oder wieder – schafft, hat vermutlich hart an dieser Vorgehensweise gearbeitet, denn tatsächlich hat das Maß an Ablenkungen enorm zugenommen. An der California State University führte ein Team um den Psychologen Larry Rosen verschiedene Tests durch, während derer 300 Studenten in ihrem Umfeld beobachtet wurden. Das Resultat: Im Schnitt gelang es den Studenten, sich 3 Minuten auf eine Aufgabe zu konzentrieren, ehe sie von verlockenden Ablenkungen aus der Konzentration gerissen wurden. Als größter Unruhestifter entpuppte sich das Smartphone – und das sogar dann, wenn es einfach nur in Reichweite lag, ohne einen Mucks von sich zu geben.

Digital Detox als Allheilmittel im Kampf gegen Ablenkungen?

Das oft beschworene Digital Detox ist natürlich eine Möglichkeit, um den Ablenkungen für eine Weile zu entgehen. Der Trend schwappte aus den USA zu uns und mittlerweile gibt es auch hier Digital-Detox-Camps, in denen den Fastenwilligen buchstäblich der Saft abgedreht wird. Kein Internet, kein Smartphone – keinerlei digitale Kommunikation. Ein kurzer Ausstieg aus einem Alltag, der Erreichbarkeit rund um die Uhr fordert und das ist auch bitter nötig.

Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gab fast jeder zehnte Deutsche an, ohne sein Smartphone nicht leben zu können. [1] Und bei einer groß angelegten Studie der Universität Bonn zeigte sich, dass die Probanden täglich rund 3 Stunden am Smartphone verbrachten – davon übrigens nur 10 Minuten zum Telefonieren. 12 Prozent der Studienteilnehmer schauten sogar alle 12 Minuten aufs Smartphone, um zu überprüfen, ob sie online etwas verpasst hatten.

Die Gründe, sich immer wieder von den Ablenkungen der sozialen Netzwerke fesseln zu lassen, sind vielschichtig und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Digital Detox kann da eine Hilfe sein – allerdings vor allem, wenn das der Einstieg für einen bewussten Umgang mit Störfaktoren ist.

Tipps zum Umgang mit Ablenkungen durch das Smartphone

  • Das Smartphone ausschalten oder es außer Reichweite deponieren. Am Anfang sind schon kleine Zeitfenster (15 – 30 Minuten) ein Erfog.
  • Das Smartphone muss in Reichweite bleiben? Dann können wenigstens die Signaltöne auf stumm geschaltet werden.
  • Wer in sozialen Netzwerken aktiv ist, tut gut daran, den Zeitpunkt des Postens klug zu wählen. Es ist keine gute Idee, direkt vor einer konzentrierten Arbeitsphase Fotos auf Instagram hochzuladen oder auf Facebook zu posten, denn der Drang, nach ersten Reaktionen zu schauen, erstickt jegliche Konzentration im Keim.
  • Sich bewusst Auszeiten für die sozialen Netzwerke gönnen. Und sich mit der Überlegung, welche der sozialen Netzwerke wirklich nötig sind, eventuell auch eine Auszeit von verschiedenen Netzwerken gönnen. Haben sie wirklich die Aufmerksamkeit verdient, die sie fordern?

Smarthpone: Ablenkungen im normalen Bereich oder Suchtfaktor?

Alleine die Vorstellung, das Smartphone nicht griffbereit zu haben, ist unerträglich? Dann lohnt es sich, darüber nachzudenken, was wirklich dahintersteckt. Nur Spaß? Oder Ablenkung – und wenn ja, warum und wovon? Oder ist es die Angst, etwas zu verpassen? Vor allem: Ist der Blick aufs Smartphone wirklich das, womit jeder Tag beginnen und ausklingen soll? Es gibt schätzungweise 500.000 Internetsüchtige in Deutschland [2] und wenn die Gedanken nur ums Smartphone kreisen, ist es ratsam, sich bewusst mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Zur Not auch mit professioneller Hilfe.

Quellen:
[1] http://www.morgenpost.de/vermischtes/article208096271/Ohne-Smartphone-leben-Fuer-viele-Deutsche-unvorstellbar.html
[2] https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/video133536328/Wenn-die-Smartphone-Sucht-das-Leben-zerstoert.html

Fotoquelle: (c) iStock.com/SIphotography

Aktualisiert am: 18. November 2019
Selbstwert - Sabine Otremba