Depressionen: Offen damit umgehen oder schweigen?
Depressionen sind in unserer Gesellschaft leider immer noch ein Tabuthema. Der Krankheit haftet ein Makel an. Deswegen ist es für Betroffene oft nicht leicht zu entscheiden, wie offen sie mit diesem Thema in ihrem beruflichen und privaten Umfeld umgehen können.
Depressionen als Makel
Das Thema Depression ist noch lange nicht salonfähig in unserer Gesellschaft. Häufig wird es nicht einmal als tatsächliche Krankheit wahrgenommen und anerkannt. Das liegt zum einen natürlich an der Diffusität des Krankheitsbildes, das viele Gesichter haben kann. Zum anderen – und das ist der ausschlaggebende Aspekt – haftet der Krankheit ein großer Makel an. Denn alles, was die Allgemeinheit damit verbindet, ist negativ.
Menschen, die unter Depressionen leiden, sind in der Regel sehr still, zurückgezogen, häufig traurig oder gereizt und haben eine pessimistische Grundeinstellung. Gehören auf den ersten Blick also nicht gerade zu den Kandidaten, mit denen man einen unterhaltsamen Abend verbringen oder die man als Kollegen mit im Büro sitzen haben möchte. Spaßbremsen, Spielverderber, Zweifler – Pessimisten eben. So der oberflächliche Eindruck, der oft zur Ausgrenzung depressiver Menschen führt. Doch bei der hochfunktionalen Depression, bei der Betroffene weiterhin alltägliche Aufgaben bewältigen, kann dieser Eindruck besonders trügerisch sein.
Stempel: Nicht belastbar
Man stempelt Betroffene auch gerne als labil, nicht belastbar, unflexibel und schwach ab. Attribute, die im Berufsalltag noch weniger erwünscht sind als im Privatleben. Dabei gibt es unterschiedliche Formen und Schweregrade von Depression. Nicht jeder Patient ist automatisch nicht mehr gesellschafts- und arbeitsfähig. Nachdem sich Vorurteile aber hartnäckig in den Köpfen der Menschen halten, ist es für Betroffene ratsam, sich gut zu überlegen, wem sie ihre Krankheit anvertrauen und wann es besser ist zu schweigen.
Schweigen ist Gold
Niemand möchte einen Vorgesetzten oder Kollegen haben, auf den man sich nicht verlassen kann. Im Arbeitsalltag sollten wir möglichst funktionieren, zu jeder Zeit. Schließlich brauchen wir Anerkennung und Lob und ein harmonisches Miteinander im Büro. Im Berufsalltag ist es deshalb für depressive Menschen empfehlenswert, mit ihrer Krankheit nicht hausieren zu gehen. Aufgrund der festgefahrenen Vorurteile gegenüber dieser Krankheit entsteht sonst womöglich ein falsches Bild. Denn wer mit seinen Depressionen gelernt hat umzugehen, ist durchaus belastbar und verlässlich. Ein vollwertiges und wichtiges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Um daran keine Zweifel aufkommen zu lassen, ist ein Verschweigen der Krankheit, soweit sie es zulässt, im Arbeitsleben der sicherere Weg. Denn wer einmal diesen Stempel aufgedrückt bekommen hat, wird ihn so schnell nicht wieder los.
Offene Werbung für Verständnis
Völlig anders verhält es sich meiner Meinung nach mit dem Umgang von Depressionen im privaten Umfeld. Weil es im Beruf sicher nicht immer einfach ist die Krankheit quasi zu verstecken, bin ich im Privaten für die Flucht nach vorne. Der Druck, sich im Arbeitsalltag mitunter verstellen zu müssen, sollte in der Freizeit nicht vorhanden sein. Natürlich muss man mit Feingefühl an die Sache herangehen, denn wahrlich nicht jeder Mensch kann damit gut umgehen. Es ist aber sowohl für das Umfeld einer depressiven Person als auch für den Kranken selbst eine Erleichterung, nicht spielen zu müssen. Wenn die Freundin, der Partner, die Eltern ein gewisses Verständnis für die Krankheit entwickeln können, ist viel gewonnen. Verständnis sorgt für mehr Freiheit im Umgang miteinander und macht gegenseitige Rücksichtnahme leichter. Wenn die Krankheit Betroffene zum Rückzug zwingt, sie nicht in der Stimmung sind für einen launigen Abend, kann Verständnis die Situation immens erleichtern. Es macht den Rückzug leichter für den Kranken und niemand im Umfeld muss es persönlich nehmen, wenn eine Situation anders verläuft als geplant.
Um Verständnis zu schaffen sind Fingerspitzengefühl und Kommunikation von Seiten aller Beteiligten nötig. Betroffene sollten erklären, wie sie sich fühlen und was ihnen durch den Kopf geht, damit der Gesprächspartner die Möglichkeit hat, sich hineinzuversetzen. Wer Verständnis für die Krankheit hat, kann leichter damit umgehen. Und damit automatisch einen depressiven Menschen unterstützen, selbst mit der Krankheit besser leben zu lernen.
Distanz zu Intolleranz
Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht verstehen wollen oder können. Und wenn alle Erklärungsversuche gescheitert sind, sollte man es auch dabei belassen. Alles andere ist zermürbend und kostet Kraft. In solchen Konstellationen ist vielleicht besser, ein bisschen auf Distanz zu gehen, damit die persönliche Beziehung nicht noch mehr Schaden nimmt. Denn eines ist definitiv sicher: Der Umgang mit Depressionen ist weder für die Betroffenen noch für deren Umfeld leicht. Es ist eine große Aufgabe, den richtigen Weg zu finden miteinander umzugehen. Aber die Suche danach lohnt sich.
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