Resilienz

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Manche Menschen sind wie Stehaufmännchen: Niederlagen und Schicksalsschläge können ihnen nichts anhaben – sie gehen sogar gestärkt daraus hervor. Resilienz nennt die Wissenschaft diese Beständigkeit und Zähigkeit. Es gibt zwar kein Patentrezept, aber mit etwas Training kann die Widerstandskraft gegen die Unbilden des Lebens durchaus gestärkt werden.
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Resilienz macht gesünder

Menschen, denen es gelingt, sich gegen die Krisen zu wappnen, leben insgesamt gesünder.

Fast im Tagesrhythmus erscheinen Studien, die Gesundheitsgefahren aufzeigen: Wie und was wir essen, dass wir uns zu wenig bewegen, zu wenig schlafen und zu viel arbeiten – alles hat einen Einfluss auf unseren Gesundheitszustand. Die meisten Studien warnen vor einem Risiko, zählen auf, was zu vermeiden ist, was stresst und krank macht. Doch man könnte die Sache auch umgekehrt angehen und positive Faktoren herausgreifen, die der Gesundheit förderlich sind. Das versucht seit vielen Jahren die Resilienzforschung, die erst in letzter Zeit vermehrte Beachtung findet.

Der Begriff Resilienz kommt aus der Technik und bedeutet so viel wie die Fähigkeit eines Materials, nach einer Verformung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. In der Soziologie versteht man darunter die Fähigkeit von Gesellschaften, externe Störungen zu verkraften, und im Krisenmanagement, die Bevölkerung auf Naturkatastrophen vorzubereiten. Um Flexibilität und Widerstandskraft geht es auch im Zusammenhang mit Gesundheit. Menschen, die als resilient gelten, denen es gelingt, Krisen aller Art leichter zu bewältigen und hinter sich zu lassen, leben insgesamt gesünder.

Bewertungsprogramm …

Krisenbewältigung ist auch ein Resultat von bis dahin gemachten Erfahrungen.

Krankheit oder ein Unfall, der Verlust eines geliebten Menschen, Arbeitslosigkeit oder Scheidung – das alles sind belastende Lebensereignisse, die Stress erzeugen und von der Wissenschaft deshalb auch als „Stressoren“ bezeichnet werden. Doch jeder geht damit anders um. Während solche Extremsituationen manche Menschen in tiefe Depressionen treiben oder Angsterkrankungen auslösen, gehen andere daraus ohne gröbere Spuren hervor und wachsen vielleicht sogar daran. Nichts scheint sie aus der Bahn werfen zu können.

Die Reaktion hängt von vielerlei Faktoren ab, einige davon sind beeinflussbar. Einerseits hängt die Krisenbewältigung damit zusammen, wie die jeweilige Situation von dem oder der Betroffenen bewertet wird, was wiederum ein Resultat ihrer Erfahrungen ist, aber auch der Erwartungen, die der Einzelne an das Leben stellt. „Sollwerte“ nennen Stressforscher diese Erwartungen, und wenn diese nicht erfüllt werden, kann es zu folgenreichen Verletzungen und schwerwiegenden Enttäuschungen kommen. Kritisiert der Chef die geleistete Arbeit, leidet das Bedürfnis nach Anerkennung; sieht sich der Freund dauernd nach anderen Frauen um, ist der Sollwert Liebe verletzt und hält die Kollegin Termine für die gemeinsame Seminararbeit nicht ein, ist das ein Angriff auf den Anspruch nach Perfektion.

Dieses unbewusst und in Sekundenschnelle ablaufende Bewertungsprogramm lässt sich nicht abstellen. Doch wenigstens bis zu einem gewissen Grad lässt es sich ändern, indem vorgefertigte Ansprüche hinterfragt und zuweilen relativiert werden. Das kann den Druck gewaltig verringern.

… und Selbstbild

Wer „Ich kann das nicht“ sagt, ist schon so gut wie gescheitert.

Oft steht der Satz „Ich kann das nicht“ am Anfang des Scheiterns. Wer eine knifflige Situation dagegen im Bewusstsein angeht, schon Schwierigeres gemeistert zu haben, dessen Chancen auf Erfolg stehen hoch. Auch diese innere Grundeinstellung ist geprägt vom eigenen Erleben, und sie besteht parallel zur Bewertung der jeweiligen Lebenssituation.

In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass Menschen mit einer optimistischen Lebenshaltung, die sich voll Zuversicht den Herausforderungen des Lebens stellen, nicht nur mit Belastungen besser umgehen können, sondern auch länger und gesünder leben. Werden sie krank, so kommen sie damit schneller und besser zurecht.

Gegen alle Widerstände

Das Leben meistern – trotz Risikofaktoren und widriger Umstände.

Die amerikanische Psychologin mit österreichischen Wurzeln Emmy Werner war eine der Ersten, die sich wissenschaftlich mit dem Phänomen beschäftigt haben, dass manche Menschen mit den Herausforderungen des Lebens besser umgehen können als andere. 1955 begann sie gemeinsam mit Kinderärzten und Sozialarbeitern ihre Langzeitstudie auf der hawaiianischen Insel Kauai. 698 Kinder, alle 1955 geboren, bildeten die Studiengruppe. 210 davon wuchsen in äußerst prekären Verhältnissen mit meist nicht nur einem Risikofaktor heran: in Armut, bei gewalttätigen oder alkoholkranken Eltern mit geringer Schulbildung, in kinderreichen Familien, bei Alleinerzieherinnen. In regelmäßigen Abständen wurden – zuerst die Eltern, dann die Kinder, später die Heranwachsenden und schließlich die 40-, dann 60-Jährigen – nach den Einzelheiten ihres Lebens befragt. Zwei Drittel der Kinder mit mehreren Risikofaktoren entwickelten bereits im Alter von zwei Jahren Verhaltensauffälligkeiten, waren schon mit zehn Jahren einige Male mit dem Gesetz in Konflikt geraten und hatten mit 18 eine psychische Krankheit entwickelt.

Doch nach und nach wurde klar: Das andere Drittel der Kinder führte gegen alle Widerstände und trotz schwierigster Bedingungen ein erfolgreiches, glückliches Leben. Im Alter von 40 Jahren war keines dieser ehemaligen Risikokinder arbeitslos oder auf staatliche Fürsorge angewiesen und keines straffällig geworden. Sie waren sogar gesünder und leisteten mehr als Personen, die in einem stabilen und wirtschaftlich abgesicherten Umfeld aufgewachsen waren. Diese 210 Hawaiianerinnen und Hawaiianer straften Behauptungen Lügen, wonach Menschen aus Hochrisikoverhältnissen zwangsläufig auf der Verliererseite des Lebens stehen.

Aber was hatte ihnen geholfen?

Die Widerstandskraft stärken

Man kann üben, Krisen zu meistern und mit extremen Belastungen besser umzugehen.

Eine Übersichtsarbeit der renommierten US-amerikanischen Mayo-Klinik kam 2014 zu dem Schluss, dass es kein Patentrezept gibt, wie Menschen ihre Widerstandskraft stärken und zu mehr Resilienz gelangen können. Das hat einfache Gründe: Frühe biografische Erlebnisse sind nicht einfach wie Daten in einem Dokument zu überschreiben. Zudem sind gewisse charakterliche Eigenschaften angeboren. Und schließlich ist Resilienz nicht eine einzige Verhaltensweise, die sich jeder und jede wie einen Handschuh überstülpen kann. Vielmehr besteht die Widerstandskraft aus vielerlei Facetten, nicht jede ist für jeden gleich bedeutsam.

Doch das heißt nicht, dass Änderung nicht möglich wäre und man sich nicht darin üben kann, Krisen zu meistern und mit extremen Belastungen besser umzugehen. Soldaten, Ersthelfer und Notfallmediziner werden darin geschult, unter Stress richtig zu reagieren. 2015 hat sich bei einem großen Erdbeben in Chile gezeigt, dass die Chilenen den schon zuvor von öffentlichen Stellen immer wieder propagierten und in Erinnerung gerufenen Rat, während starker seismischer Erschütterungen ruhig („tranquilo“) zu bleiben, durchaus befolgten und auf diese Weise weniger Opfer zu beklagen waren als bei früheren Erdbeben der gleichen Stärke.

Zur Erkenntnis, dass Reslilienz ein dynamischer Prozess und keine statische Eigenschaft ist, hat die Forschung im Zusammenhang mit Naturkatastrophen viel beigetragen. So haben Untersuchungen ergeben, dass Menschen, die bereits einmal in (lebens-)bedrohlichen Situationen waren, ganz automatisch Verhaltensweisen entwickeln, die ihnen in einer ähnlichen Situation helfen. Ein Team US-amerikanischer Wissenschaftler fand heraus, dass Einwohner von New Orleans die Folgen des Hurrikans Katrina und der nachfolgenden Überschwemmungen im Sommer 2005 umso besser überstanden, je mehr sie davon überzeugt waren, dass es ihnen selbst gelingen würde, ihre Situation zu verbessern.

Was Resilienz ausmacht

Optimismus und Selbstverantwortung sind nur zwei der Faktoren, aus denen sich Resilienz zusammensetzt.

In letzter Zeit versuchen immer mehr Forscher, die Resilienz auch neurowissenschaftlich zu verstehen, Genetiker und Hirnforscher wollen dem Stehaufmännchen-Phänomen auf die Spur kommen. 2014 wurde dazu an der Mainzer Johannes Gutenberg Universität das erste Resilienz-Zentrum in Europa gegründet. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen herauszufinden, wie die Widerstandsfähigkeit gestärkt und damit die Entstehung von psychischen Erkrankungen, die großteils durch Stress und Belastungen hervorgerufen werden, gebremst werden kann. Untersuchungen mit funktionaler Magnetresonanz-Tomografie – einem bildgebenden Verfahren, dass die Durchblutung des Gehirns darstellt – lassen darauf schließen, dass resiliente Menschen in der Lage sind, ihr emotionales Zentrum, das vor allem Angstgefühle steuert, positiv zu beeinflussen.

Schon Emmy Werner hat in ihren Studien mit den hawaiianischen Kindern herausgefunden, dass die später erfolgreichen Erwachsenen bereits im Kleinkindalter ganz bestimmte Verhaltensweisen zeigten. So beschrieben sie ihre Mütter mit einem Jahr als liebevoll und verschmust, mit zwei Jahren als fröhlich und freundlich, sie begannen früh zu sprechen und zu laufen. Mit zehn Jahren hatten sie bessere Schulnoten als ihre Kommilitonen und entwickelten allesamt ein spezielles Talent, auf das sie stolz waren. Gegen Ende der Pubertät waren sie überzeugt davon, etwas leisten zu können und hatten konkrete Pläne für ihre Zukunft. Sie vertrauten nicht auf Glück oder Zufall, sondern hatten gelernt, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen konnten.

Doch auch bestimmte äußere Schutzfaktoren spielen eine Rolle in der Entwicklung der psychischen Widerstandskraft. So hatten resiliente Kinder schon von klein auf engen Kontakt mit einem Erwachsenen – Großeltern, Onkeln, Tanten –, auf den sie sich verlassen konnten und der auf ihre Bedürfnisse einging, und sie bauten einen Freundeskreis auf, der ihnen Halt gab. Inzwischen haben auch andere Wissenschaftler bestätigt, dass Resilienz sich aus mehreren Facetten zusammensetzt:

Optimismus

Resiliente Menschen wissen, dass auch negative Phasen einmal zu Ende gehen und sehen immer einen Lichtstreif am Horizont. Meist verfügen sie über eine gesunde Portion Humor.

Selbstwirksamkeit

Resiliente Menschen glauben an die eigene Kompetenz und wissen, dass sie nicht jeder Situation oder anderen Menschen hilflos ausgeliefert sind. Damit eng verbunden ist die

Selbstverantwortung

Resiliente Menschen übernehmen die Verantwortung für ihr Handeln und sehen sich nicht als Opfer anderer Menschen oder äußerer Umstände.

Emotionsregulation

Resiliente Menschen lassen sich von ihren Gefühlen nicht übermannen und kommen deshalb auch mit anderen Menschen gut aus.

Netzwerkorientierung

Resiliente Menschen schaffen sich einen Freundeskreis, auf den sie in schweren Zeiten bauen können und scheuen sich nicht, Hilfe anzunehmen.

Lösungsorientierung

Resiliente Menschen wissen: Das ganze Leben ist Problemlösen und dass es für jedes Problem tatsächlich eine Lösung gibt. Deshalb packen sie neue Aufgaben in dem Bewusstsein an, sie bewältigen zu können.

Zukunftsplanung

Resiliente Menschen wissen, was sie vom Leben erwarten und planen vor.

Akzeptanz

Resiliente Menschen nehmen die Wirklichkeit an – auch wenn damit unangenehme Gefühle verbunden sind.

Freilich wird aus einem eingefleischten Pessimisten nicht von heute auf morgen ein frohgemut in die Zukunft blickender Mensch, aus einem verzagten Zweifler nicht über Nacht ein zupackender Problemlöser. Doch gerade in extrem schwierigen Lebenslagen wie etwa einer schwerwiegenden Erkrankung zeigt sich oft, dass Menschen plötzlich ihre Stärke erkennen und bis dahin ungeahnte Kräfte mobilisieren. Darauf muss man nicht warten. Es gibt viele Situationen im Leben, in denen man die eigene Widerstandsfähigkeit erproben und verbessern kann.



Redakteurin: Elisabeth Tschachler (Journalistin)
Aktualisierung: 27.11.2015, Elisabeth Tschachler (Journalistin)
Medizinisches Review: Univ. Prof. Dr. med. Ernst Berger (Psychiatrie), Dr. med. Bettina Reiter (Psychiatrie, Psychotherapie)

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