Soziale Phobie: Ursachen und Symptome der Störung
Ingrid ist zu einem Event eingeladen. Als sie ankommt, herrscht dort bereits ausgelassene Stimmung: Die Gäste lachen, unterhalten sich und einige winken ihr zu. Viele Menschen nehmen dieses Szenario als angenehm wahr. Doch in Ingrid löst diese Situation Unwohlsein aus, denn sie macht sich Gedanken darüber, wie sie andere bewerten und hat Angst vor Menschen. Ingrid leidet an einer Sozialen Phobie, was bedeutet, dass sie in den meisten Bereichen des sozialen Lebens Ängste verspürt, insbesondere im Kontakt mit fremden Menschen. Doch worin liegen die Ursachen von Sozialer Angst? Das erfährst du in diesem Artikel.
Wie verbreitet sind Soziale Phobien?
Ingrid, die fiktive Person in diesem Artikel, ist nicht alleine mit ihrer Diagnose. Denn diese psychische Erkrankung gehört zu den häufigsten. Zwischen 7 und 13 % der Personen westlicher Länder erleiden in ihrem Leben eine Soziale Phobie. Dabei sind Frauen eineinhalb Mal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung tritt meist bereits im Jugendalter auf, ist eine Form der Angststörung und zählt damit zu den phobischen Störungen. Das Grundgefühl, von dem sie alle geleitet werden, ist “Ich habe Angst!”.
Welche Symptome sind typisch für eine Soziale Phobie?
Wie am Beispiel von Ingrid bereits angedeutet, machen sich Menschen mit einer Sozialphobie Gedanken darüber, ob sie von anderen Personen als seltsam, peinlich oder gar lächerlich bewertet werden. Im weiteren Sinne haben sie Angst vor Menschen und fühlen sich unwohl in ihrer Gegenwart. Dabei sind ihnen normale Handlungen, wie zum Beispiel das Gehen, Essen oder Sprechen, unangenehm. Aus Angst vor einer negativen Bewertung, erröten sie meist in der Gegenwart anderer. Hinzu kommt, dass sie oft schwitzen oder zittern. Diese Anzeichen sind Betroffenen ebenfalls unangenehm. Sie befinden sich in einem permanenten Angstzustand, wenn sie unter Menschen sind und fühlen sich unwohl.
Betroffene können in jeder öffentlichen Situation Angst empfinden. Außerdem fällt es ihnen schwer, mit anderen Kontakt aufzunehmen, weshalb Sozialphobiker:innen solchen Situationen nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Wenn sie nicht vermieden werden können, stellen sie sich der Situation mit großer Angst. Diese äußert sich etwa durch Herzrasen, Übelkeit, Durchfall oder Anspannung der Muskeln. Auch Panikattacken sind möglich.
Fragst du dich manchmal, ob dein Angstempfinden noch normal ist oder schon bedeklich wird? Folgende Anzeichen können auf die Soziale Phobie hindeuten:
✔️ Angst vor Bewertung
✔️ Furcht vor Bloßstellung
✔️ Meiden sozialer Situationen
✔️ Verzerrtes Selbstbild
✔️ Erröten in der Öffentlichkeit
✔️ Unwohlsein unter Menschen
Wie verläuft eine Soziale Phobie?
Die Erkrankung verschwindet ganz selten von alleine. Besonders bei Erwachsenen bestehen die Symptome meist dauerhaft. Durch eine adäquate Behandlung stehen die Heilungschancen jedoch gut. Meist geht eine Soziale Angst mit anderen psychischen Erkrankungen, wie Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen oder somatoformen Störungen einher. Unbehandelte Soziale Phobien erhöhen das Risiko, in eine Depression zu rutschen oder für Substanzmissbrauch. Nicht selten mündet sie in Einsamkeit und Isolation.
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Welche Ursachen hat die Soziale Phobie?
Zur Entstehung einer Sozialphobie tragen mehrere Faktoren bei:
- Belastende Lebensereignisse: etwa der Tod eines:r nahen Angehörigen
- Persönlichkeitsausprägungen: beispielsweise Schüchternheit
- Destruktive Denkstile: zum Beispiel ein negatives Selbstbild, hohe Erwartungen an sich selbst
- Fokus auf eigene körperliche Symptome und die Verschlimmerung dieser (zum Beispiel Schwitzen)
- Genetische Veranlagung: Vererbung
- Kontrollierender, wenig emotionaler Erziehungsstil und Überbehütung in der Kindheit
- Schlechte Erfahrungen mit anderen Personen: zum Beispiel Mobbing
Wie wird eine Sozialphobie diagnostiziert?
Die Diagnose kann seitens Expertinnen und Experten wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Psychologinnen und Psychologen oder Psychiaterinnen und Psychiatern anhand im ICD-11 definierter Kriterien gestellt werden: Dazu müssen die Beschwerden intensiv sein und seit mindestens sechs Monaten bestehen. Dabei sind eine oder mehrere gesellschaftliche Situationen betroffen und die Symptome treten beinahe immer in diesen auf. Hintergrund der Angst sind die befürchtete negative Bewertung durch andere. Diese Befürchtungen führen dazu, dass solche Situationen vermieden werden, da sie zu großem Stress führen. Für einen Außenstehenden sind diese Befürchtungen nicht nachvollziehbar.
Tests zur Sozialen Phobie
Psychologinnen und Psychologen können auch bestimmte Tests mit Betroffenen durchführen, um die Vermutung einer Sozialen Phobie zu bestätigen. Zum Beispiel kann die Soziale Phobie Skala (Davidson et al., 1991) genutzt werden, um die charakteristischen Symptome der Sozialphobie zu untersuchen. Ein weiterer Test ist das Social Phobia and Anxiety Inventory (Turner et al., 1989), von dem es auch eine spezielle Version für Kinder gibt (Beidel et al., 1995).
Wie wird eine Sozialphobie behandelt?
Grundsätzlich ist eine soziale Angststörung gut behandelbar. Besonders wirksam, um die Soziale Phobie zu überwinden, haben sich die Expositions- und kognitive Verhaltenstherapie gezeigt. Bei der Expositionstherapie geht es darum, dass sich die Sozialphobikerin oder der Sozialphobiker unter Begleitung der angstauslösenden Situation aussetzt. Damit soll er/sie sich daran gewöhnen und langsam die Angst davor verlieren. Eine weitere Methode ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei lernen die Betroffenen, verzerrte Gedanken zu erkennen, ihr verfälschtes Denken zu kontrollieren und ihr Verhalten dementsprechend anzupassen. Um die Soziale Phobie zu überwinden, können in manchen Fällen auch Medikamente verschrieben werden.
Wenn auch du an einer Sozialen Phobie leiden solltest oder dich fragst “habe ich eine Sozialphobie?”, lasse nicht zu, dass die Angst gewinnt. Du bist stärker und mit entsprechender Hilfe geht es dir wieder besser. Auch wenn du es jetzt vielleicht noch nicht glauben kannst, durch eine psychologische Beratung gewinnst du deine Lebensqualität zurück. Wir helfen dir im Umgang mit deinen eigenen Ängsten gerne weiter.
Quellen:
Beidel, D. C., Turner, S. M., & Morris, T. L. (1995). A new inventory to assess childhood social anxiety and phobia: The Social Phobia and Anxiety Inventory for Children. Psychological Assessment, 7(1), 73–79. https://doi.org/10.1037/1040-3590.7.1.73
Buckner, J. D., Schmidt, N. B., Lang, A. R., Small, J. W., Schlauch, R. C. & Lewinsohn, P. M. (2008). Specificity of social anxiety disorder as a risk factor for alcohol and cannabis dependence. Journal of Psychiatric Research, 42(3), 230–239. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2007.01.002
Davidson, J. R., Potts, N. L., Richichi, E. A., Ford, S. M., Krishnan, K. R., Smith, R. D., & Wilson, W. (1991). The Brief Social Phobia Scale. The Journal of Clinical Psychiatry, 52(Suppl), 48–51. https://doi.apa.org/doi/10.1037/t07672-000
Furmark, T. (2002). Social phobia: overview of community surveys. Acta Psychiatrica Scandinavica, 105(2), 84-93. https://doi.org/10.1034/j.1600-0447.2002.1r103.x
Turner, S. M., Beidel, D. C., Dancu, C. V., & Stanley, M. A. (1989). An empirically derived inventory to measure social fears and anxiety: The Social Phobia and Anxiety Inventory. Psychological Assessment: A Journal of Consulting and Clinical Psychology, 1(1), 35–40. https://doi.org/10.1037/1040-3590.1.1.35
World Health Organization. (2019). International statistical classification of diseases and related health problems (11th ed.). https://icd.who.int/
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