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Illusion Multitasking – der Mensch ist kein Computer

Es gibt ja dieses schöne Gerücht, demzufolge Frauen – Achtung, Klischee! – besonders multitaskingfähig sind. Das habe ich jahrelang geglaubt. Was bleibt einem auch sonst übrig, wenn man an der Anmeldung einer stark frequentierten Arztpraxis arbeitet oder zu Hause mit mehreren Bällen gleichzeitig jonglieren muss? Multitasking ist da gang und gäbe – oder zumindest das, was man dafür hält. Denn tatsächlich gibt es gar kein Multitasking, das Gehirn wechselt lediglich in einem Höllentempo zwischen den verschiedenen Tätigkeiten hin und her. Und das ist weder effizient noch erstrebenswert.

5 Gründe, die gegen das Multitasking sprechen

  • Wir machen nichts richtig – sondern alles nur ein bisschen, wenn wir mehrere Sachen gleichzeitig erledigen. Und das wirkt sich natürlich negativ auf die Qualität aus.
  • Wir sind anfälliger für Fehler – bestes Beispiel hierfür ist das Telefonieren beim Autofahren. Aber auch bei anderen Aufgaben schleichen sich schnell Fehler ein, wenn wir gleichzeitig an verschiedenen Baustellen aktiv sind. Grund: Das Gehirn kann all die Informationen, mit denen es für die Bearbeitung der verschiedenen Aufgaben geflutet wird, nicht klar voneinander trennen, weswegen sie auch in die anderen Aufgaben einfließen. Und dieses Informationskuddelmuddel führt zu Ungenauigkeiten und Fehlern.
  • Wir werden unproduktiver – obwohl wir uns das Gegenteil einbilden. Wir mögen zwar das Gefühl haben, in relativ kurzer Zeit wahnsinnig viel abgearbeitet zu haben. Doch tatsächlich verlieren wir während des Aufgaben-Hoppings den Fokus und das kostet Zeit und Energie.
  • Wir werden unglücklich – weil vieles zunehmend an uns vorbeirauscht und wir kaum noch Zeit haben, kleine Glücks- und Erfolgsmomente bewusst wahrzunehmen.
  • Wir fühlen uns durch Multitasking zunehmend überlastet. Was kein Wunder ist, es sei denn, wir gehören der seltenen Spezies der sogenannten „Supertaskers“ an. Das ist allerdings eher unwahrscheinlich, weil hierzu nur ca. 2,5 Prozent der Menschen gehören.

Multitasking macht krank

Je mehr Multitasking uns im Alltag abverlangt wird, desto intensiver wird anderswo von Achtsamkeit geredet. Nicht umsonst verkaufen sich „Wellnessmagazine für den Geist“ namens Flow, Happinez oder Herzstück wie geschnitten Brot. Zum Vergleich: Die Vogue hat eine Auflage von 140.000 Exemplaren – die Flow liegt bei 210.000 Heften. Und die Tendenz dürfte steigend sein, denn mittlerweile schlagen selbst die Krankenkassen Alarm. Der Grund: Nach Krankheiten des Muskel- u. Skelettsystems sind psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch und eine Umfrage der BKK ergab, dass die Krankheitstage von 2004 bis 2011 wegen Burn-out um das 18-fache gestiegen sind. [1] Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt in ihrem Stressreport fest, dass Multitasking ein Faktor für krankmachenden Stress ist. Von den knapp 20.000 für den Stressreport befragten Erwerbstätigen gaben 58 Prozent an, regelmäßig Multitasking betreiben zu müssen und jeder fünfte der Befragten (17 Prozent) empfindet genau das als Belastung. [2]

Multitasking für Computer und nicht für Menschen

Vielleicht ist es hilfreich, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass der Begriff des Multitaskings eigentlich dem Computer gilt. Und während die Maschine keine Probleme damit hat, mehrere Tasks (Aufgaben) gleichzeitig zu erledigen, ist der Mensch einfach nicht dafür nicht gemacht, weil unser Gehirn dafür nicht fortschrittlich genug ist. Besser ist es daher, aus dem Multitasking ein Singletasking zu machen und – so es möglich ist – eine Aufgabe nach der nächsten abzuarbeiten. Oder zumindest ein bestimmtes Zwischenziel anzupeilen, ehe dann die nächste Aufgabe ins Spiel kommt.

Soweit die Theorie, wie sich das in der Praxis gestaltet, ist allerdings eine ganz andere Sache. Das zumindest habe ich neulich festgestellt, als ich versucht habe, mich eine Stunde lang nur auf einen zu schreibenden Text zu konzentrieren. Nach 25 Minuten habe ich zum ersten Mal meine E-Mails gecheckt und kurz darauf eine Runde durch die sozialen Netzwerke gemacht. Aber ich bleibe dran…

Quellen:
[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article113159916/1800-Prozent-mehr-Krankentage-durch-Burn-out.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/karriere/psychische-belastung-am-arbeitsplatz-was-die-deutschen-stresst-1.1585927

Fotoquelle: (c) iStock.com/Poike

Aktualisiert am: 18. November 2019
Beruf und Karriere - Sabine Otremba