Depression - Susanne Prosser
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Vom positiven Denken zu positiven Gedanken

Positiv denken soll uns Erfolg und Glück bringen – doch in der Praxis bewirkt es oft das Gegenteil. Was viel wirksamer ist sind positive Gedanken. Das macht den Unterschied.

„Du kannst alles schaffen!“ oder „Denk’ positiv, dann wird das schon!“ Was wie ein motivierender Zuspruch klingt, kann uns statt ans Ziel auf den Holzweg führen. Denn der Glaube darüber, dass es ausreicht, die rosarote Brille aufzusetzen, blendet oft aus, worum es wirklich geht. Und das feuert irgendwann zurück. Bestimmt!

„Du kannst alles schaffen!“ mag für den einen auf gesunde Weise motivierend sein, für den anderen ein vorhandenes Problem verstärken. Denken Sie an den Workaholic, der seit Wochen oder Monaten mit seinen Kräften am Limit kratzt und sich immer noch höhere Ziele steckt, weil er überzeugt ist, sich nur lange genug einreden zu müssen, dass er alles schaffen und erreichen kann. Positive Gedanken flüstern im Gegensatz zum positiven Denken zu, dass man nicht alles schaffen muss, um ein guter Mensch zu sein. Oder: Dass man andere um Hilfe fragen kann und nicht alles alleine schaffen muss.

Selbstmitgefühl bringt mehr

Der gute Ratschlag „Denk’ positiv, dann wird das schon!“ übersieht das Wesentliche – nämlich die einzelnen Schritte, die es braucht, damit sich das viel zitierte positive Denken von selbst einstellen kann. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich einer Sache unsicher sind, und Ihr bester Freund rät Ihnen: „Denk’ positiv!“ Auch wenn gut gemeint, gibt es wohl keinen oberflächlicheren Ratschlag.

Doch was braucht es an dieser Stelle? Wir sagen: Bewusstsein. Mitgefühl auf Seite des „Ratgebers“ und Selbstmitgefühl auf Seite des Betroffenen. Anstatt sich einzureden, „dass schon alles gut werden wird“, ist es hilfreicher, achtsam in sich selbst hinein zu hören: Was fühle ich wirklich, wenn ich an Ziel xy denke? Wovor habe ich Angst? Was macht mir Freude? Was ist der Worst Case, der eintreten kann und was ist der Best Case? Welche Fähigkeiten bringe ich mit, um xy zu erreichen? Welche Fähigkeiten werde ich weiter stärken? Welche Personen werden mich unterstützen und welche Schritte werde ich als nächstes in die Wege leiten? Welche Person hat bereits vor mir etwas Vergleichbares geschafft und was hat sie dafür getan, damit das möglich wurde?

Mit dem inneren Kritiker sprechen

Wenn positives Denken Ängste und das Gefühl von Unzulänglichkeiten überdecken soll ist es auch ratsam, den inneren Kritiker zu hinterfragen. Hören Sie sich selbst zu, wie Sie innerlich mit sich sprechen. Ist der innere Dialog stark von selbstabwertenden Gedankenzügen geprägt? Dann ist es Zeit, diese einem Realitätscheck zu unterziehen. So können Sie dem inneren Kritiker das zu starke Mitspracherecht nehmen. Den inneren Kritiker wahrnehmen und ihm Beachtung schenken ist der erste Schritt, damit er ruhiger werden kann. Und dann wird es auch mit den guten Gedanken plötzlich ganz leicht.

Fotocredit Titelbild: iStock.com/Memedozaslan

Aktualisiert am: 18. November 2019