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Equality statt Diskriminierung: Alle sind gleich, nur manche sind gleicher

Die Bilder von George Floyd, der bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam, gehen um die Welt und machen uns fassungs-, aber sicher nicht sprachlos. Diskriminierung und Rassismus sind ein weltweites und allgegenwärtiges Problem, vor dem wir nicht die Augen verschließen dürfen.
Gemeinsam mit Instahelp Psychologin Dipl.-Psych. Katja Kunert möchten wir die Dynamiken rund um dieses Problem aufzeigen, und Möglichkeiten finden, wie wir alle Teil der Lösung werden können.

Vorurteile: Warum wir sie alle haben und wie wir sie hinter uns lassen

Diskriminierung betrifft uns auf vielen Ebenen und zum Teil liegt der Ursprung des Problems an einem ganz normalen Vorgang unseres Gehirns. Denn, dass wir alle gleich sind, ist schlicht und einfach nicht wahr und es ist völlig normal, dass uns diese Unterschiede auffallen. Dass wir Menschen im Kopf aufgrund bestimmter Merkmale in soziale Kategorien oder Gruppen einteilen dient der schnelleren Informationsverarbeitung. Gleichzeitig neigen wir aber auch dazu Menschen abzuwerten, die wir einer anderen Kategorie oder Gruppe zuordnen, als uns selbst. Der Grund dafür ist einfach:

Wenn wir Menschen, die uns nicht ähnlich sind abwerten, werten wir uns selbst automatisch auf. Diese kognitive Bewertung kann einer der Fehler sein, die im schlimmsten Fall zu diskriminierenden Handlungen führen.

 

Was macht Diskriminierung mit der Psyche?

Es ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen. Das eigene Wohlbefinden hängt damit direkt mit den eigenen und fremden Zuschreibungen der sozialen Identität zusammen. Aufgrund einer Eigenschaft abgelehnt zu werden, auf die man keinerlei Einfluss hat oder für die man sich auf Grund seines Wertesystems entschieden hat, kann weitreichende psychische Folgen haben. Die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, leidet. In Folge dessen nimmt die Widerstandsfähigkeit in stressigen Lebenssituationen ab. Eigene Anteile als diskriminiert zu erleben, erschüttert zwangsläufig das eigene Selbstbild.

So leben zu müssen bedeutet nicht nur immer wieder Gefühle von Angst, Wut und Verzweiflung aushalten zu müssen – die Vermeidung sozialer Situationen können die Folge sein und im Verlauf zu Depressionen oder Angststörungen führen.

 

Bei einer Umfrage des Sozialforschungsinstituts SORA gaben 11% der Betroffenen in Österreich an, dass die Aussage „Ich bin wegen der Diskriminierung krank geworden“ ziemlich oder sehr auf sie zutrifft.
Eine Umfrage des Institutes für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) zeigt außerdem: Das Wohlbefinden von betroffenen Personen ist umso schlechter je größer die wahrgenommene Diskriminierung ist. Diese Studie konnte zudem zeigen: Je mehr Merkmale Grundlage der Diskriminierung sind (also z.B. eine schwarze lesbische Frau), desto mehr psychosomatische Symptome (z.B. Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen) zeigt die betroffene Person.

Tipps um das Schubladendenken zu überwinden: Wir sind verschieden, und das ist gut so

Wir möchten einen Teil dazu beitragen eine Welt zu gestalten, in der wir uns gegenseitig für unsere Besonderheiten feiern und in der es völlig selbstverständlich ist, füreinander einzustehen.
Wir sind nicht alle gleich, und das ist auch gut so!

Sich gegen Diskriminierung anzusprechen heißt für uns nicht, dass man die Augen vor den offensichtlichen Unterschieden zwischen Menschen verschließt. Es heißt, dass wir unsere Unterschiede als Bereicherung anerkennen, und dass wir wissen, dass wir als Menschen alle gleich wichtig und wertvoll sind.

 

Hier kommen ein paar Vorschläge, wie Sie jetzt dazu beitragen können, dass wir in einer gerechteren Welt leben. Eine Studie des IDZ konnte aufzeigen, dass 26% der von Diskriminierung betroffenen Personen versuchten, den Vorfall zu ignorieren und 18% zu geschockt waren, um handeln zu können. Auch im Verlauf haben immerhin 37% nichts unternommen und sind eher in die Vermeidung gegangen. Somit scheint es sinnvoll, wenn man Zeuge von Diskriminierung wird, klar Stellung zu beziehen. So kann man dem Opfer Raum verschaffen, für sich Handlungsfähigkeit zu entwickeln und Worte zu finden. Wir richten genau deshalb unsere 7 Tipps sowohl an Betroffene sowie an alle die Betroffene unterstützen möchten, weil wir nur gemeinsam eine chancengleiche Welt gestalten können.

1. Laufen Sie lieber Gefahr etwas Falsches zu sagen, bevor Sie nichts sagen.

Wenn Minderheiten, denen man selbst nicht angehört, diskriminiert werden, fällt es vielen schwer Stellung zu beziehen. Oft steckt dahinter die Angst etwas Falsches zu sagen und am Ende vielleicht unabsichtlich selbst ein ignorantes Wort zu verlieren. Trauen Sie sich an der Debatte teilzunehmen und Stellung zu beziehen – auch auf die Gefahr hin, nicht die perfekten Worte zu finden. Gerade wenn Sie selbst bis jetzt ein sehr privilegiertes Leben geführt haben ist es schwer sich wirklich in Menschen hineinzufühlen, die fast täglich mit Benachteiligung zu kämpfen haben. Gestehen Sie sich ein, dass es für Sie noch viel zu lernen, aber dennoch keinen Grund zu schweigen gibt. Jedes nicht-perfekte Statement gegen Diskriminierung ist ein wichtiger Teil, damit wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln können.

2. Bilden Sie sich weiter.

Nutzen Sie soziale Medien, Bücher und Podcasts um sich selbst darüber zu informieren, welche Menschen in welcher Form von Diskriminierung betroffen sind. Nur wenn auch Menschen, die nicht direkt betroffen sind in den entsprechenden Situationen aufmerksam bleiben und Diskriminierung erkennen, können wir gemeinsam dagegen vorgehen. Auch Humor kann dabei helfen, einen leichteren Zugang zu den Problemen zu finden. Wie man mit Humor Vorurteile aufzeigen kann, zeigt die Facebookseite „the man who has it all“, in dem sie Diskriminierung gegenüber Frauen auf Männer überträgt.

3. Übernehmen Sie Verantwortung.

Wenn Sie sich weitergebildet haben, ist es gut möglich dass Ihnen in Ihrer Umgebung diskriminierende Aussagen und Handlungen auffallen, die sie zuvor nicht bemerkt haben. Jetzt ist es wichtig ins Tun zu kommen. Bei Diskriminierung geht es vor allem um Verantwortung, nicht um eine Schuldfrage. Alltägliche Diskriminierung kann nur enden, wenn jeder von uns entschieden dagegen eintritt. Wenn uns Ungleichbehandlung auffällt, sollte sie also angesprochen werden! Das bedeutet auch, dass man sich mitunter in unangenehme Gespräche begeben muss oder sich von Menschen zu distanzieren, die sich diskriminierend verhalten.

4. Gehen Sie auf Betroffene zu.

Einer der wichtigsten Schritte ist betroffene Personen diskret und konkret zu fragen: Was kann ich tun? Es ist nicht hilfreich etwas zu tun, was die Person nicht will. Es geht dabei um die anderen und nicht um einen selbst. Zuhören und sich auf den anderen einlassen sind wichtige Eigenschaften, um Probleme wirklich verstehen und Veränderungen schaffen zu können.

5. Stellen Sie sich selbst in Frage.

Die Wahrscheinlichkeit ist sicherlich groß, dass auch Menschen die es nicht bewusst wollen, sich diskriminierend verhalten, da es Teil unseres Informationsverarbeitungssystems ist in Schubladen zu denken. Es ist die Verantwortung eines jeden Einzelnen, die Schubladen kritisch zu überprüfen. Um sich selbst zu hinterfragen, könnten folgende Aspekte hilfreich sein: Warum ist es wichtig, woher jemand wirklich kommt? Woher habe ich diese Meinung? Was weiß ich eigentlich über „DIE“? Habe ich mich ausreichend dazu gebildet oder habe ich das nur irgendwo aufgeschnappt? Es ist für uns als Gesellschaft wichtig, Diskriminierung wahrzunehmen und darauf hinzuweisen, damit wir alle voneinander lernen und uns weiterentwickeln können.

6. Stärken Sie Ihre Selbstwirksamkeit.

Wenn man selbst Opfer von Diskriminierung wird, ist es hilfreich die eigene emotionale Reaktion ernst zu nehmen und anzuerkennen. Sich durch Diskriminierung verletzt zu fühlen hat nichts mit Überempfindlichkeit zu tun. Diskriminierung schmerzt und schränkt mitunter erheblich in der Lebensführung ein. Um das Selbstwirksamkeitserleben wieder zu stärken, kann es hilfreich sein, die Diskriminierung an entsprechender Stelle anzuzeigen oder sich aktiv gegen Diskriminierung zu engagieren.

7. Kümmern Sie sich gut um sich selbst, wenn Sie betroffen sind.

Holen Sie sich jede Hilfe, die Sie brauchen und fragen Sie sich regelmäßig wie es Ihnen momentan wirklich geht. Egal warum und in welcher Form Sie diskriminiert werden – Sie müssen das nicht hinnehmen und Sie sind damit nicht alleine! Sprechen Sie mit anderen Betroffenen oder suchen Sie sich professionelle Hilfe bei einem erfahrenen Psychologen oder entsprechenden Stellen. Auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle kann man sich auch anonym beraten lassen.

Quellen und weiterführende Links:
https://www.idz-jena.de/wsddet/diskriminierung-und-ihre-auswirkungen-fuer-betroffene-und-die-gesellschaft/
https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/gleichbehandlung/Diskriminierungsstudie_2019_Langfassung.pdf
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Projekte/Umfrage_Diskriminierung_in_Deutschland/Umfrage_node.html
https://mediendienst-integration.de/desintegration/diskriminierung.html
https://www.seelischegesundheit.net/home/2-kurzmeldungen/72-gegen-diskriminierung-psychisch-kranker-menschen
https://www.aerzteblatt.de/archiv/44732/Psychisch-Kranke-Stigma-erschwert-Behandlung-und-Integration
https://de.wikipedia.org/wiki/Eigengruppe_und_Fremdgruppe

Fotocredit Titelbild: @fauxels/pexels.com

Erstellt am: 9. Juni 2020