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Essattacken stoppen: So schaffst du es!

Kennst du das – du sitzt nach einem anstrengenden Tag abends auf dem Sofa, schaltest deine Lieblings-TV-Show ein und schaufelst haufenweise Essen in dich rein. Du beginnst mit einem herzhaften Abendessen, als Nachtisch gibt es Snacks à la Chips, Schokolade und Co. und du spülst es runter mit literweise Softdrinks. Du bist so fokussiert auf den Fernseher und so erschöpft vom Tag, dass du gar nicht bemerkst, wie viel und vor allem wie schlecht du gerade isst.

Doch nach einiger Zeit fühlst du dich plötzlich schlecht, du bist aufgebläht, dir ist übel und hast ein schlechtes Gewissen, so viel Müll gegessen zu haben. Man spricht dabei von einer Essattacke. Sicherlich kommt es immer mal vor, dass wir uns mit einer ausgiebigen Mahlzeit etwas Gutes tun wollen, doch wenn sich solche Attacken häufen, kann es problematisch werden. Daher möchten wir dir zeigen, welche Ursachen Essattacken haben und was du dagegen tun kannst.

 

Was sind Essattacken?

Unter Essattacken versteht man das Verhaltensmuster, bei dem betroffene Personen in kurzer Zeit große Mengen an Nahrung zu sich nehmen, ohne dabei ein Gefühl von Kontrolle über das Essverhalten zu haben. Die Essattacken sind oft nicht durch ein aktuelles Hungergefühl motiviert und führen nicht selten zu einem starken Unwohlsein, da weit über das Sättigungsgefühl hinaus gegessen wird. Charakteristisch für Essattacken ist, dass die Betroffenen während eines solchen Vorfalls ein Gefühl von Hilflosigkeit verspüren und im Nachgang häufig Scham, Schuld oder Depressionen empfinden. Studien zeigen, dass 2% aller Menschen in ihrem Leben eine Essstörung erleiden. Meistens manifestieren sich diese zwischen dem 20. Und 35. Lebensjahr. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.

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Wo ist der Unterschied zwischen Essattacken und anderen Essstörungen?

Fragst du dich manchmal, ob deine Essattacken noch normal sind oder ob sie schon als problematisch beurteilt werden können? Unregelmäßige, vereinzelt stattfindende Essattacken sind von dem Vorliegen der klinischen Störung der Binge Eating Disorder (BED), der Bulimia Nervosa oder der Anorexia Nervosa zu unterscheiden. Das sind die größten Unterschiede:

Essattacken:

  • Unregelmäßig auftretend: Essattacken treten sporadisch auf und sind oft an spezifische Situationen gebunden.
  • Weniger intensiv: Die Menge der verzehrten Nahrung kann groß sein, erreicht aber möglicherweise nicht das Ausmaß oder die Intensität wie bei BED oder Bulimie.
  • Weniger psychische Beeinträchtigung: Obwohl unangenehm, führen unregelmäßige Essattacken nicht unbedingt zu anhaltenden Schuldgefühlen, Scham oder einem Gefühl des Kontrollverlustes, die für BED und Bulimie charakteristisch sind.

Binge Eating Disorder (BED):

  • Regelmäßigkeit: BED erfordert das Auftreten von Essattacken mindestens einmal pro Woche über drei Monate.
  • Psychische Belastung: Personen mit BED erleben erhebliche Angst und psychische Belastung in Bezug auf ihre Essattacken. Dies umfasst Scham, Ekel und Schuldgefühle nach den Anfällen.
  • Fehlen von kompensatorischen Maßnahmen: Im Gegensatz zu Bulimia Nervosa unternehmen Personen mit BED keine regelmäßigen Versuche, das „Überessen“ durch Erbrechen, exzessive Bewegung oder andere Mittel auszugleichen.
  • Beeinträchtigung des täglichen Lebens: BED führt zu signifikanter Beeinträchtigung in beruflichen, sozialen oder anderen wichtigen Bereichen des Lebens.

Bulimie (Bulimia Nervosa):

  • Regelmäßig auftretend: Die Bulimie ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Phasen von Essattacken.
  • Kompensatorische Maßnahmen: Auf die Essattacken folgen kompensatorische Maßnahmen wie Erbrechen oder exzessives Sporttreiben, um Gewichtszunahme zu verhindern.
  • Psychische Belastung: Betroffene sind oft mit ihrem Körpergewicht und ihrer Form beschäftigt, was ihre Essgewohnheiten und Selbstwahrnehmung tiefgreifend beeinflusst.

Anorexie (Anorexia Nervosa):

  • Eingeschränkte Nahrungsaufnahme: Zentral für die Anorexie ist eine stark eingeschränkte Nahrungsaufnahme und eine intensive Angst zuzunehmen.
  • Kompensatorische Maßnahmen: Es kommt wie bei den Essstörungen zwar nicht zu Essattacken, aber auch hier werden kompensatorische Maßnahmen herangezogen, um abzunehmen.
  • Psychische Belastung: Betroffene leiden unter einem verzerrten Körperbild, das sie oft als übergewichtig wahrnehmen, obwohl sie in Wahrheit untergewichtig sind. Das Verhalten der Betroffenen ist von extrem restriktiven Essgewohnheiten und das Streben nach Schlankheit gekennzeichnet.

Fazit: Obwohl alle diese Bedingungen mit ungesunden Essverhaltensweisen und einem beeinträchtigten Selbstbild zusammenhängen können, unterscheiden sie sich grundlegend in Bezug auf die spezifischen Verhaltensweisen und der psychischen Belastung, die ihnen zugrunde liegen. Während unregelmäßige Essattacken gelegentlich auftreten und nicht unbedingt auf eine tiefere psychische Störung hinweisen, erfordern BED, Bulimie und Anorexie eine umfassende professionelle Diagnose und Behandlung, um den Betroffenen zu helfen, gesunde Essgewohnheiten und ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln.

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Was sind die Ursachen von Essattacken?

Die Ursachen für Essattacken sind vielschichtig und oft in einer Kombination aus psychologischen, sozialen und biologischen Faktoren zu finden. Stress und Streit mit deinen Liebsten und ein niedriges Selbstwertgefühl können Auslöser sein. Ganz nach dem Motto “Du bist was du isst” scheinen wir uns schlecht zu ernähren, wenn es uns mental nicht gut geht. Auch strenge Diäten und der damit verbundene häufige Verzicht auf Nahrung können ironischerweise zu Essattacken führen, da der Körper auf den Mangel mit einem Überkompensationsverhalten reagiert. Einsamkeit und die mangelnde Auseinandersetzung mit Stress und negativen Emotionen tragen ebenfalls dazu bei, dass es zu Essattacken kommt.

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Risikofaktoren für Essattacken am Abend

Was ist für dich das typischste Szenario, eine Mahlzeit zu dir zu nehmen? Für viele Menschen ist es wahrscheinlich abends, nach einem langen Arbeitstag zu Hause auf dem Sofa, währenddessen man fernsieht. Da ist es weniger verwunderlich, dass Essattacken am häufigsten in den Abendstunden auftreten.

Dies liegt zum einen daran, dass viele Menschen nach einem langen Tag voller Stress und Herausforderungen nach Wegen suchen, um sich zu entspannen und Belohnung zu gönnen. Emotionaler Stress, der sich im Laufe des Tages ansammelt, kann am Abend seinen Höhepunkt erreichen und so kommt es vermehrt zu abendlichen oder nächtlichen Essattacken. In solchen Momenten greifen viele Menschen zu Nahrung als eine Form von Trost oder zur Stressbewältigung, was letztendlich zu unkontrolliertem Essen führen kann.

Zudem folgt der menschliche Körper einem natürlichen biologischen Rhythmus, der eine Dauer von etwa 24h hat und auch das Hungergefühl beeinflusst. Studien haben gezeigt, dass das Hungerhormon Ghrelin in den Abendstunden tendenziell ansteigt, was zu einem verstärkten Hungergefühl führt. Wenn du tagsüber nicht genügend oder nicht ausgewogen gegessen hast, kann dein Körper am Abend ein starkes Verlangen nach Nahrung entwickeln, insbesondere nach schnell verfügbarer Energie in Form von zucker- und fetthaltigen Speisen – die perfekte Grundlage für eine Essattacke.

Aber auch abendliche Routinen können das Risiko für Essattacken erhöhen. Viele Menschen verbringen ihre Abende in entspannter Umgebung zu Hause, oft vor dem Fernseher oder anderen Bildschirmen. Diese Situationen fördern häufig gedankenloses Essen, was leicht zu Essattacken führen kann. Zudem ist der Abend eine Zeit, in der weniger soziale Kontrolle und weniger Ablenkungen durch Arbeit oder andere Tagesaktivitäten bestehen, was das Risiko für unkontrolliertes Essen erhöht.

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Was kann man gegen Essattacken tun?

Erleidest du Essattacken häufiger als dir lieb ist und möchtest etwas dagegen tun? Dann können dir folgende Tipps dabei helfen:

1.) Erkenne die Auslöser von Essattacken
Im ersten Schritt ist es wichtig für dich herauszufinden, woher deine Essattacken kommen. Bist du im Alltag übermäßig gestresst? Schwirrt ein Konflikt mit einer dir nahestehenden Person in deinem Kopf rum? Hast du vielleicht Zukunftsangst? Solche und ähnliche Themen können Essattacken auslösen. Indem du die Auslöser für Essattacken reflektierst, hilft es dir, neue Essattacken vorzubeugen und die zugrunde liegenden Probleme zu klären.

2.) Iss aufmerksam und nicht nebenbei
Das wohl wichtigste beim Vermeiden von Essattacken ist wohl, dass du deine Nahrung bewusst und aufmerksam zu dir nimmst. Anstatt deine Mahlzeit passiv beim Fernsehschauen in dich reinzuschaufeln, solltest du jeden Bissen bewusst machen. Schalte am besten alle deine mobilen Geräte aus und nimm wahr, was du deinem Körper zuführst. Reflektiere bei jedem Bissen, wie es schmeckt, welche Konsistenz das Essen hat und wie du dich dabei fühlst. Dadurch bekommst du klar und deutlich mit, wie das Essen auf dich wirkt und wann das Hungergefühl einsetzt. Auch das Führen eines Ernährungstagebuchs oder das Tracken deines Essens mittels einer App kann dir dabei helfen, ein Gespür für dein Essverhalten zu bekommen.

3.) Entwickle gesunde Essgewohnheiten
Eine gute Strategie gegen Essattacken sind gesunde Essgewohnheiten. Plane die Gerichte ein, die du essen möchtest, kaufe die dafür notwendigen Lebensmittel ein und vermeide spontane, emotional geleitete Käufe. Der Mensch ist in dieser Hinsicht ein einfaches Wesen: Was er verfügbar hat, wird er auch essen. Das Vermeiden von ungesunden, hochkalorischen Lebensmitteln gelingt am leichtesten, wenn du es dir erschwerst, an diese ranzukommen. Eine prall gefüllte Süßigkeiten-Schublade bringt dich wahrscheinlich weniger gut ans Ziel als ein prall gefüllter Obstkorb. Bereite am besten auch deine ausgewogenen und gesunden Mahlzeiten vor, sodass du sie schnell zu dir nehmen kannst, wenn dein Hunger sich meldet.

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Essattacken bei anderen psychischen Störungen

Essattacken können eine Begleiterscheinung bei anderen psychischen Störungen sein. So ist Depression eine der am häufigsten mit Essattacken verbundenen psychischen Störungen. Menschen, die unter Depressionen leiden, können zu Essattacken neigen, die als eine Form des emotionalen Essens zur Bewältigung von Traurigkeit, Leeregefühl oder Hoffnungslosigkeit dienen. Umgekehrt können anhaltende Essattacken und die daraus resultierenden körperlichen und sozialen Folgen auch depressive Symptome verschlimmern oder auslösen.

Angststörungen und Essattacken können ebenfalls eng miteinander verknüpft sein. Für einige Personen sind Essattacken eine Methode, um kurzfristig Angstzustände zu lindern, da das Essen vorübergehend beruhigend wirken kann. Allerdings kann das regelmäßige Auftreten von Essattacken langfristig zusätzliche Angst erzeugen, insbesondere im Hinblick auf die eigene Gesundheit oder das Körperbild.

Bei der bipolaren Störung können während manischer oder hypomanischer Phasen exzessives Essen und andere Impulskontrollprobleme auftreten. Auch während depressiver Phasen können Betroffene zu Essattacken neigen, um Gefühle von Traurigkeit oder Wertlosigkeit zu bekämpfen.

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Psychologische Unterstützung bei Essattacken

Fühlst du dich manchmal machtlos Essattacken ausgesetzt und findest einfach keine Wege, diese zu vermeiden? Dann solltest du den Rat einer außenstehenden professionellen Person heranzuziehen. In der psychologischen Beratung online bei Instahelp können dir top ausgebildete Psycholog:innen dabei helfen, die emotionalen Ursachen deiner Essattacken ausfindig zu machen, deine Essattacken zu vermeiden und ein gesundes Essverhalten zu etablieren. Finde jetzt mittels Matching-Prozess den:die zu dir passende:n Psycholog:in.

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Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Essattacken

1.) Was sind Essattacken?
Essattacken sind Episoden, bei denen Personen in kurzer Zeit große Mengen an Nahrung zu sich nehmen, ohne dabei ein Gefühl von Kontrolle über das Essverhalten zu haben. Diese Anfälle sind oft nicht durch aktuelles Hungergefühl motiviert und führen häufig zu Unwohlsein und negativen Emotionen wie Scham und Schuld.

2.) Was ist der Unterschied zwischen gelegentlichen Essattacken und anderen Essstörungen?
Gelegentliche Essattacken sind unregelmäßige Ereignisse, die nicht unbedingt auf eine Essstörung hinweisen, während BED, Bulimie und Anorexie ernsthafte, diagnostizierte Störungen mit erheblicher psychischer Belastung und signifikanter Beeinträchtigung des täglichen Lebens sind. Bei der BED kommt es zu häufigen Essattacken, ähnlich wie bei der Bulimie, nur das bei ihr zusätzlich kompensatorische Maßnahmen wie exzessives Sporttreiben oder Erbrechen ergriffen werden. Die Anorexie ist geprägt von einer stark reduzierten Nahrungsaufnahme, um das Gewicht zu reduzieren.

3.) Was sind typische Ursachen von Essattacken?
Die Ursachen für Essattacken sind vielfältig und umfassen psychologische Faktoren wie Stress und emotionale Konflikte, biologische Faktoren wie hormonelle Schwankungen und soziale Faktoren wie Isolation. Auch restriktive Diäten können paradoxerweise zu Essattacken führen, wenn der Körper auf den wahrgenommenen Nahrungsmangel mit Überkompensation reagiert.

4.) Warum sind Essattacken besonders abends häufig?
Abends treten Essattacken häufiger auf, weil der emotionale Stress des Tages seinen Höhepunkt erreicht und viele Menschen nach Entspannung und Belohnung suchen. Der circadiane Rhythmus kann zu einem natürlichen Anstieg des Hungerhormons Ghrelin führen und abendliche Routinen können das Risiko für unkontrolliertes Essen erhöhen.

5.) Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Personen mit Essattacken?
Die Behandlung von Essattacken kann einen multimodalen Ansatz umfassen, darunter Psychotherapie – besonders kognitive Verhaltenstherapie –, Ernährungsberatung, Medikation und Unterstützung durch Selbsthilfegruppen oder Gruppentherapien. Entscheidend ist, dass die Behandlung auf Betroffene zugeschnitten ist und hilft, gesunde Bewältigungsmechanismen für Stress und Emotionen zu entwickeln.

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Quellen:

Qian, J., Morris, C.J., Caputo, R. et al. Ghrelin is impacted by the endogenous circadian system and by circadian misalignment in humans. Int J Obes 43, 1644–1649 (2019). https://doi.org/10.1038/s41366-018-0208-9

Wälte, D. (2019). Essstörungen – Prävalenz, Bedeutung und Implikationen für die Prävention und Gesundheitsförderung. In: Tiemann, M., Mohokum, M. (eds) Prävention und Gesundheitsförderung. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_64-1

Erstellt am: 23. Mai 2024
Essstörungen - Instahelp Redaktion