Zwangsstörung – Ursachen und Symptome der Erkrankung
Das Leben von Heinz wird durch seine Zwangsstörung bestimmt. Täglich unterliegt er mehreren Zwängen. Dabei muss er Handlungen immer wieder durchführen und Gedanken wiederholen sich. So kontrolliert er etwa jeden Tag mehrmals, ob er wirklich die Türe abgeschlossen hat. Dies geschieht nicht willentlich, sein Kontrollzwang bestimmt sein Leben. Doch er ist nicht der Einzige, etwa zwei bis drei Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter einer Zwangsneurose. Frauen und Männer gleichermaßen. Was steckt hinter der psychischen Krankheit und wie macht sie sich bemerkbar?
Definition der Zwangsstörung
Laut ICD-10 sind wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen zentral für eine Zwangsstörung. Betroffene empfinden diese erzwungenen Gedanken und Handlungen als quälend und fühlen sich dieser machtlos ausgesetzt. Sie sehen zwar oft ein, das sie sinnlos sind, können sich aber nicht dagegen wehren. Man spricht in diesem Kontext auch von der Zwangsneurose.
Welche Symptome zeigen sich bei einer Zwangsstörung?
Es ist normal und menschlich, wenn du ab und zu Ängste oder Befürchtungen hast. Auch entspricht es der Norm, wenn du gelegentlich kontrollierst, ob du beispielsweise das Licht ausgeschaltet hast. Werden Handlungen oder Gedanken jedoch zwanghaft und drängen sich auf, ist das nicht mehr gesund und wird als Zwangsstörung bezeichnet. Daran kannst du dich auch orientieren: Bis wann ist es Angst und ab wann ist es eine Angststörung? Die Betroffenen können sowohl unter Zwangsgedanken als auch Zwangshandlungen leiden. Oft auch unter beidem. Es gibt verschiedene Arten von Zwangshandlungen:
- Kontrollzwang: Dutzendfache Kontrolle, ob das Licht aus ist
- Waschzwang: Zu häufiges Reinigen des Körpers, z.B. der Hände
- Zählzwang: Dinge müssen immer wieder neu gezählt werde
- Sammelzwang: Es kann sich von nichts getrennt werden
- Ordnungszwang: Etwas wird immer und immer wieder geordnet
Diese Zwangshandlungen führen dazu, dass Erkrankte im Alltag eingeschränkt sind. Die Person kommt dadurch häufig zu spät zu Verabredungen, in die Arbeit oder zu wichtigen Terminen. Leidet jemand an einer Zwangsneurose, dann schämt sich dieser Mensch oft dafür. Deshalb wird dann erst recht spät Hilfe gesucht, was sowohl die Zwänge als auch die Einschränkung im Alltag verschlimmert. Nicht selten kommt es zum Rückzug aus dem sozialen Umfeld. Was wiederum in eine Depression münden kann. Um mehr über depressive Verstimmungen zu erfahren, schaue dir folgendes Video dazu an:
Doch es können auch Zwangsgedanken auftreten. Bei Erkrankten entstehen dann Bilder im Kopf, die sie nicht kontrollieren können. Ein Gedanke könnte sein: “Was, wenn ich diese Person vom Gehweg stoße?” Diese Gedanken werden begleitet mit Angst: Angst davor, es wirklich umzusetzen und Angst davor, dass das Leid nie mehr aufhört. Denn sie sind sich dessen bewusst, dass diese Gedanken widersinnig sind. Ihnen scheint es dabei aber nicht zu gelingen, ihre Gedanken zu kontrollieren. Zwangsverhalten steht oft stellvertretend für etwas, das nicht gefühlt oder vermieden werden soll.
Wie verläuft eine Zwangsstörung?
In den meisten Fällen beginnen Zwangsstörungen in der Kindheit und zeigen sich als sehr hartnäckig. Ohne Behandlung werden die Ursachen der Zwangshandlungen nicht aufgedeckt und die Krankheit wird chronisch. Jemand handelt nicht ohne Grund zwanghaft, wird diese Tatsache ignoriert, kommt es auch nicht zu einer Besserung. Oft zeigt sich ein fluktuierender Verlauf: Die Symptome treten einmal stärker, einmal weniger stark auf. Es gibt auch den episodischen Verlauf, bei dem die Anzeichen vorübergehend auch komplett verschwinden. Bei lang anhaltender Symptomatik entwickeln sich nicht selten begleitende Störungen wie Depressionen, eine gedrückte Stimmung und Antriebslosigkeit.
Wie entstehen Zwangsneurosen?
Für die Entstehung der Zwangsneurose von Heinz könnte es mehrere Ursachen geben. In der Wissenschaft wird ein Zusammenspiel aus sozialen, biologischen und weiteren Faktoren vermutet:
- Soziale Komponenten: Probleme im Umgang mit Stress oder Gefühlen
- Familiäre Komponenten: z.B. einschneidende Erlebnisse, wie etwa Tod naher Angehöriger oder sexueller Missbrauch
- Biologische Komponenten: Instabiler Serotoninspiegel oder Veränderungen im Gehirn
- Psychologische Komponenten: Perfektionsstreben, Sensibilität, geringe Belastbarkeit
- Umweltkomponenten: Zwangsstörung von z.B. den Eltern gelernt
Für die Entstehung einer Zwangsneurose könnte somit gemäß des psychologischen Faktors ein Perfektionsstreben dazu führen, dass man eine Aufgabe immer und immer wieder kontrolliert, um ja keinen Fehler zu machen. Geschieht dies wiederholt über einen längeren Zeitraum, steigt das Risiko einer Zwangsstörung. Befindet sich die betroffene Person dann zusätzlich in einem ständigen Stresszustand aufgrund von Arbeit oder Studium (soziale Komponente), so fördert es das Risiko für eine Zwangsstörung. Oft liegen auch traumatische Erfahrungen in der Kindheit vor, die Zwangsgedanken und -handlungen fördern. Da die Entstehung einer Zwangsneurose multifaktoriell ist, ist es dementsprechend schwierig, Betroffene davon zu heilen.
Tests zur Zwangsstörung
Zur Bestimmung einer Zwangsstörung gibt es einige Tests. So können Psychologinnen und Psychologen das Obsessive-Compulsive Inventory (OCI; Foa et al., 1998) nutzen, um mittels Selbstberichte Betroffener die Diagnose der Zwangsstörung und den Schweregrad dieser zu bestimmen. Die Yale-Brown-Zwangsskala (Wayne et al., 1989) bietet den Vorteil, dass sie ein spezifisches Maß für den Schweregrad der Symptome einer Zwangsstörung misst, unabhängig von der Art der Zwangsgedanken oder -handlungen. Des Weiteren gibt es die Dimensional Obsessive-Compulsive Scale (DOCS; Abramowitz et al., 2010), die aktueller ist und die Einschränkungen der älteren Tests zur Zwangsstörung umgehen möchte.
Behandlung einer Zwangsstörung – Was kann man tun?
Bei der Zwangsstörung handelt es sich um eine hartnäckige psychische Erkrankung, die einer intensiven Therapie bedarf. Auch wenn es nicht immer zu einem gänzlichen Verschwinden der Zwänge kommt, ist eine deutliche Besserung sichtbar. Um Zwänge zu behandeln, hat sich in diesem Zusammenhang die Kognitive Verhaltenstherapie als besonders hilfreich erwiesen.
Durch diese Form der Behandlung zeigen zwischen 50 und 70 Prozent der Patienten deutliche Verbesserungen. Etwa die Hälfte der Betroffenen wird ihre Zwangsstörung gänzlich los. Es werden nicht nur die Zwangssymptome reduziert, auch alle Begleitsymptome verschwinden. Das steigert die Lebensqualität nachhaltig.
Für jemanden, dessen Leben von Zwangshandlungen- und Gedanken bestimmt wird, ist der Alltag eine Qual. Doch das muss nicht so sein. Es gibt Hilfe für dich! Es ist kein Grund, sich zu schämen: Weder dafür, dass du Zwangsstörungen hast, noch das du dir helfen lässt. Im Gegenteil: Es ist mutig und bewundernswert, dass du die Realität annehmen und verändern willst.
Quelle:
Abramowitz, J. S., Deacon, B. J., Olatunji, B. O., Wheaton, M. G., Berman, N. C., Losardo, D., Timpano, K. R., McGrath, P. B., Riemann, B. C., Adams, T., Björgvinsson, T., Storch, E. A., & Hale, L. R. (2010). Assessment of obsessive-compulsive symptom dimensions: Development and evaluation of the Dimensional Obsessive-Compulsive Scale. Psychological Assessment, 22(1), 180–198. https://doi.org/10.1037/a0018260
Foa, E. B., Kozak, M. J., Salkovskis, P. M., Coles, M. E., & Amir, N. (1998). The validation of a new obsessive–compulsive disorder scale: The Obsessive–Compulsive Inventory. Psychological Assessment, 10(3), 206–214. https://doi.org/10.1037/1040-3590.10.3.206
Goodman, W. K., Price, L. H., Rasmussen, S. A., Mazure, C., Fleischmann, R. L., Hill, C. L., Heninger, G. R., & Charney, D. S. (1989). The Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale: I. Development, Use, and Reliability. Arch Gen Psychiatry, 46(11), 1006–1011. https://doi.org/10.1001/archpsyc.1989.01810110048007
Olatunji, B. O., Davis, M. L., Powers, M. B., & Smits, J. A. J. (2013), Cognitive-behavioral therapy for obsessive-compulsive disorder: A meta-analysis of treatment outcome and moderators. Journal of Psychiatric Research, 47 (1), 33-41. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2012.08.020
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