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Emotionales Essen stoppen: Gesunde Ernährung durch Online-Beratung

Unsere Ernährung stellt eine wesentliche Säule der Gesundheit dar – sowohl körperlich als auch mental. Mit jedem Bissen, den wir zu uns nehmen, geschieht dabei viel mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Es kann ein soziales Ereignis sein oder eine tröstende Umarmung in einsamen Stunden. Gerade weil die Ernährung mit so vielen Emotionen einhergeht, spielt diese in der psychologischen Beratung eine entscheidende Rolle.

 

Mein Name ist Kerstin und ich bin seit mehr als 12 Jahren als Psychologin tätig. In der Online-Beratung bei Instahelp durfte ich schon viele Menschen zu unterschiedlichen Themen beraten und begleiten. Selten geht es dabei “nur” um die Hilfe bei einer Depression oder die Therapie bei Angst. Meistens geht es um ein großes Spektrum an Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, die eine Person mitbringt.

So war es auch bei meiner Klientin Luisa*. Da ich als Psychologin der Verschwiegenheitspflicht unterliege, ist eine Veröffentlichung der Erstanfrage trotz Namensänderung natürlich ausgeschlossen. In Anlehnung an ihre Nachricht möchte ich aber zeigen, wie eine Kontaktaufnahme zu diesem Thema aussehen kann:

Hallo liebe Kerstin! Ich bin Luisa, 35 Jahre alt und CEO meiner eigenen Werbeagentur. Ich finde meinen Job toll und habe darin einen großen Traum verwirklicht. Und dennoch wächst mir manchmal alles über den Kopf. Ich fühle mich oft einsam, traurig, ja irgendwie allein gelassen. Seit einigen Monaten habe ich dann ein Ventil gefunden, um mit dieser Einsamkeit umzugehen: Essen. Kaum sind alle im Bett, stehle ich mich in die Küche und esse alles, was der Kühlschrank noch hergibt. Kurzfristig fühlt sich das an, als würde ich in eine warme Umarmung sinken. Aber schon bald nach dem Essen falle ich in ein tiefes Loch. Was ist los mit mir?

Ich muss ehrlich sagen, die Nachricht von Luisa hat mich sehr berührt und ich habe tiefes Mitgefühl für diese Frau empfunden, die in ihrem Alltag scheinbar so tough und stark auftritt. Aber dann, wenn sie alleine ist, drängen sich die Gefühle an die Oberfläche, die sie tagsüber verdrängt – wie anstrengend muss das sein? Immer zu funktionieren, immer stark zu sein? Ich kann gut nachvollziehen, dass sie sich am Ende des Tages nach dieser tröstenden Umarmung sehnt, von der sie in ihrer Nachricht schreibt. “Emotionales Essverhalten” kam mir sofort in den Sinn und ich war neugierig, ob sich meine Vermutung bestätigen würde.

Emotionales Essen: Symptome

Am nächsten Tag durfte ich Luisa in einem psychologischen Erstgespräch per Video kennenlernen. Sie beschrieb sich als Perfektionistin, als eine Frau, die alles kontrollieren und kaum etwas abgeben möchte. Sie hat extrem hohe Ansprüche an sich, die sie auch in ihrem Umfeld nicht ablegen kann. Dies führt in der Partnerschaft häufig zu Konflikten und verstärkt den Stress auf der Arbeit.
Die dadurch auftauchenden Emotionen versucht sie zu unterdrücken, wortwörtlich herunterzuschlucken. Das Essen spendet ihr im Augenblick Trost, es lenkt von der Überforderung ab. Sie beschreibt es wie eine warme und schwere Decke, die sich um ihre Seele schmiegt. Mir war klar, ich lag mit meiner Vermutung, dass es sich um emotionales Essverhalten handelt, gar nicht so weit daneben. Denn das zeigt sich in genau diesen Symptomen:

  • Der Drang zu essen tritt plötzlich auf und kann überwältigend sein. Nicht unbedingt geht er auch mit dem Gefühl von richtigem Hunger einher.
  • Emotionaler Hunger tritt oft mit einem Verlangen nach sogenannten “Komfort-Lebensmitteln” auf, wie Süßigkeiten oder Fast Food.
  • Das Essen geschieht automatisch, schnell und man konzentriert sich nicht wirklich auf den Geschmack oder das Sättigungsgefühl.
  • Ein Gefühl der Zufriedenheit oder der Sättigung tritt kaum ein. Das Verlangen nach mehr bleibt bestehen, auch wenn der Magen bereits voll ist.
  • Emotionales Essen geht häufig mit Gefühlen von Schuld oder Scham einher, die Betroffene angesichts des Kontrollverlustes empfinden.

Im Zusammenhang mit ihrem problematischen Essverhalten habe ich mit Luisa aber auch einen Blick auf die Grenze zu klinisch relevanten Essstörungen geworfen. Das emotional gesteuerte Essen an sich wird nämlich in der Psychologie nicht als eigenständige Störung beschrieben. Es kann aber durchaus ein Symptom oder ein Vorläufer von krankhaften Essattacken sein, weshalb ein professioneller Zugang hier unbedingt notwendig ist.

“Wenn Hunger nicht das Problem ist, dann ist Essen auch nicht die Lösung ”

Bastienne Neumann
 

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Emotionales Essen vs. Essstörung: Abgrenzung

Luisa hat sich selbst in den von mir beschriebenen Symptomen von emotionalem Essen wiedererkannt. Um eine klinisch relevante Essstörung sowie andere medizinische Faktoren auszuschließen, habe ich sie dennoch gebeten, eine ergänzende diagnostische Abklärung bei einer Ärztin oder einem Arzt vor Ort durchzuführen. Folgende Punkte erlaubten es, eine Essstörung auszuschließen:

  1. Bei einer Essstörung dominieren die Essattacken den Alltag. Luisa beschrieb hingegen gelegentliches emotionales Essen und fühlt sich dadurch derzeit noch nicht in ihrem Leben beeinträchtigt.
  2. Luisa fühlt sich im Moment des Essens zwar von ihren Emotionen überwältigt, kann das Essverhalten insgesamt aber trotzdem noch kontrollieren.
  3. Bei einer Essstörung ist das Selbstwertgefühl häufig stark an das Essverhalten und das Körperbild gebunden. Dieser Zusammenhang ist bei Luisa nicht zu erkennen.
  4. Das emotionale Essen ist derzeit in einem Ausmaß, dass es die körperliche Gesundheit noch nicht akut gefährdet.

Der Grad zwischen emotionalem Essverhalten und einer Essstörung kann ein sehr schmaler sein, weshalb es in der Beratung äußerst wichtig ist, darauf stets einen sorgsamen Blick zu haben. Ich wusste, dass ich ihr Verhalten, so gut es möglich war, genau im Auge behalten musste, damit ich für sie bei einer Verschlechterung ergänzende professionelle Hilfe organisieren konnte.

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Therapie bei emotionalem Essen

Da bei Luisa nach medizinischer Abklärung keine klinisch relevante und medizinisch diagnostizierte Essstörung vorlag, konnten wir das Thema in der Online-Beratung bearbeiten. Wir haben gemeinsam einen Plan gegen das emotionale Essen entwickelt:

1. Emotionen erkennen und akzeptieren

Im ersten Schritt war es wichtig, sich die Gefühle genauer anzusehen, denen Luisa sich nicht gewachsen fühlt. Worum ging es eigentlich? War es Traurigkeit, Ärger oder Angst? Ein Tagebuch half ihr dabei, ihre Emotionen zu benennen und Zusammenhänge zu erkennen. So war sie auch in der Lage, große Gefühle auszuhalten.

2. Den Hunger unter die Lupe nehmen

Als nächstes war es wichtig, den Hunger und das Motiv hinter dem Essverhalten zu untersuchen. Wann geht es um körperlichen Hunger und wann ist das Essen eine Kompensation? Auch hier hat ihr das Tagebuch dabei geholfen, diese Unterscheidung wahrzunehmen.

3. Achtsam essen und Ablenkung vermeiden

Emotionales Essen geschieht häufig nebenbei und schnell. Aus Scham und Schuldgefühlen verstecken sich Betroffene oft und essen in kürzester Zeit große Mengen. Mit Meditationen und Übungen zur Achtsamkeit hat Luisa gelernt, Essen wieder zu genießen und jeden Bissen bewusst wahrzunehmen. Diese Meditation kann beispielsweise so aussehen:

Wähle einen ruhigen Ort, an dem du dich wohl und sicher fühlst. Nimm dir ein Stück Obst oder den Bissen einer Mahlzeit, den du für diese Übung ausgewählt hast. Setze dich bequem hin, atme einige Male tief ein und aus und versuche, dich ganz auf den Moment zu konzentrieren. Schau dir nun das Essen genau an, das in deiner Hand liegt. Welche Farben, Formen und Texturen kannst du wahrnehmen? Halte es zwischen den Fingern und spüre seine Beschaffenheit. Wie fühlt es sich an? Ist es weich, rau, hart oder glatt? Halte das Essen an deine Nase und atme tief ein. Was riechst du? Welche Aromen nimmst du wahr? Lege das Essen dann in den Mund, aber kaue es noch nicht. Erkunde, wie es sich im Mund anfühlt. Beginne dann, langsam zu kauen. Achte darauf, wie sich der Geschmack verändert, wie sich das Essen anfühlt, wenn es langsam zerkleinert wird. Versuche, jeden einzelnen Bissen vollständig wahrzunehmen, ohne Eile. Sobald du das Gefühl hast, bereit zu sein, schlucke das Essen. Spüre, wie es deinen Hals hinunter gleitet. Achte auf das Gefühl, wenn das Essen deinen Körper erreicht. Nachdem du den Bissen gegessen hast, halte einen Moment inne. Fühle in deinen Körper hinein und beobachte, ob du eine Veränderung wahrnimmst. Nimm einen Moment der Dankbarkeit. Denke an die Menschen und die Natur, die dieses Essen möglich gemacht haben und sei dankbar für die Nahrung.

 

4. Alternative Bewältigungsstrategien erarbeiten

Auch die beste psychologische Hilfe schafft es nicht, negative Emotionen im Leben einer Person vollkommen zu vermeiden. Das soll auch gar nicht das Ziel sein. Was wir aber erarbeiten können, ist die Fähigkeit, mit belastenden Emotionen umzugehen. Luisa hat eine körperliche Betätigung für sich als Ventil entdeckt, um Stress und Belastungen abzubauen.

5. Selbstmitgefühl

Ein problematisches Essverhalten geht häufig mit Selbstzweifeln und sogar Selbsthass einher. Der wahrgenommene Kontrollverlust passt gar nicht zu dem Perfektionismus, den Luisa sonst an den Tag legt. Ein Teil der Beratung bestand daher darin, Mitgefühl mit sich selbst zu entwickeln und eben diesen Perfektionismus abzulegen. Beinahe jeder Mensch isst manchmal aus dem Bedürfnis nach Trost und in Maßen ist das auch vollkommen in Ordnung.

6. Belohnung ohne Essen

Bei der Entwicklung von Süchten und Essstörungen spielt das Belohnungssystem in unserem Gehirn eine große Rolle. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, Nahrungsmittel nicht als Belohnung einzusetzen. Anstatt dem Stück Torte nach einem stressigen Tag ist es ratsam, vielleicht lieber ein ausgiebiges Bad oder einen Spaziergang als Belohnung auszuwählen. Der Genuss eines Nahrungsmittels darf natürlich sein, aber idealerweise ohne vorher Leistung erbringen zu müssen und damit Essen als Belohnung zu nutzen.

7. Der Ernährungsplan

Gerade in der ersten Zeit der Ernährungsumstellung war es wichtig, mehr Struktur in die Nahrungsaufnahme zu bringen. Unabhängig vom emotionalen Essen hat Luisa sehr unregelmäßig Mahlzeiten zu sich genommen. Nach vielen Stunden voller Verzicht folgte oft eine viel zu große Mahlzeit, die sie kaum genießen konnte, da der Bauch danach gespannt war.

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Warum eine Diät bei emotionalem Essen nicht funktioniert

Durch das emotionale Essen und die abendlichen Heißhunger-Attacken hat Luisa Gewicht zugenommen, sodass sie sich jetzt nicht mehr wohl fühlt. Dies hat dazu geführt, dass sie immer wieder Diäten ausprobiert hat, um sich ihrem Idealgewicht anzunähern. Mit dem einzigen Effekt, dass sie nachher noch weniger Kontrolle über ihr Essverhalten wahrgenommen hat.

Aus der Ernährungspsychologie weiß man, dass strikte Diäten (ausgenommen sind hier natürlich medizinisch indizierte Restriktionen) nur selten den gewünschten Erfolg erzielen. Das hat mehrere psychologische Gründe, wie zum Beispiel:

  • Der Verzicht und das Einhalten strikter Regeln löst bei vielen Menschen einen Reaktanz-Effekt aus. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Freiheit eingeschränkt wird, entwickeln sie eine starke Gegenreaktion, die das Verlangen nach dem Verbotenen noch verstärkt.
  • Viele Diäten führen dazu, dass man sich verstärkt mit dem Essen beschäftigt und sich strenge Verbote auferlegt. In diesem Zusammenhang treten häufig Gefühle von Scham oder Schuld auf, die an die Nahrungsaufnahme gekoppelt werden. Auch diese Emotionen stehen einem gesunden Essverhalten im Weg.

Anstelle von schnellen und kurzfristigen Diäten ist es also sinnvoller, Schritt für Schritt gesündere Gewohnheiten aufzubauen. Kleine und nachhaltige Veränderungen im Essverhalten sind demnach effektiver als strikte Diäten, die nur Frust erzeugen.

Luisa war viele Wochen bei mir in Beratung, weil sich immer wieder neue Themen eröffnet haben. Sie hat gelernt, ihre Gefühle zu benennen und ihre Belastungsgrenzen zu erkennen. Die bewusste Ernährung hat Luisa dabei geholfen, achtsam und wertschätzend die Nahrungsmittel aufzunehmen, die sie wirklich genießen kann. All das war ein Prozess, der seine Zeit gefordert hat, dafür aber nachhaltig ist.

Ich bedanke mich bei Luisa* dafür, dass ich ihre Geschichte hier teilen durfte!

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet emotionaler Hunger?
Emotionales Essen oder emotionaler Hunger bedeutet, wenn nicht aufgrund von physischem Hunger, sondern aus Stress oder anderen unangenehmen Gefühlen gegessen wird. Aber auch positive Gefühle können zu emotionalem Essverhalten führen.

Wie entsteht emotionales Essen?
Emotionales Essverhalten entsteht häufig, wenn wir nicht lernen, konstruktiv mit unseren Gefühlen umzugehen. Die Nahrungsaufnahme dient dann manchmal als Ventil, um die unangenehmen Emotionen auszuhalten oder abzubauen.

Wie stille ich emotionalen Hunger?
Durch die bewusste Selbstreflexion lässt sich erkennen, wann wirklich aus Hunger gegessen wird und wann nicht. Oftmals zeigen sich durch diese Analyse Muster, die bestimmte Gefühle betreffen. Mithilfe psychologischer Beratung kann erlernt werden, diese Gefühle auf konstruktive Weise zu verarbeiten.

Wie kriegt man emotionales Essen in den Griff?
Bis zu einem gewissen Grad ist es ganz normal, dass wir manchmal von unseren Emotionen geleitet zu Nahrungsmitteln greifen. Die bewusste Reflexion und die Frage “War ich jetzt wirklich hungrig oder habe ich aus einem anderen Grund gerade das Bedürfnis zu essen” kann hier sehr hilfreich sein.

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*Name von der Redaktion geändert

Quellen:

Barakat, S., McLean, S. A., Bryant, E., Le, A., Marks, P., Touyz, S., & Maguire, S. (2023). Risk factors for eating disorders: findings from a rapid review. Journal of eating disorders, 11(1), 8.

Neumann, B. (2018). Erst denken, dann essen. München: Komplett-Media Verlag.

Reichenberger, J., Schnepper, R., Arend, A.K., Richard, A., Voderholzer, U., Naab, S. & Blechert, J. (2021). Emotional eating across different eating disorders and the role of body mass, restriction, and binge eating. Int J Eat Disord 2021 May;54(5):773-784.

Shriver, L.H., Dollar, J.M., Calkins, S.D., Keane, S.P., Shanahan, L. & Wideman, L. (2020). Emotional Eating in Adolescence: Effects of Emotion Regulation, Weight Status and Negative Body Image. Nutrients 2021, 13, 79.

Zavitsanou, A., & Drigas, A. (2021). Nutrition in mental and physical health. Technium Soc. Sci. J., 23, 67.

Erstellt am: 1. Oktober 2024
Essstörungen - Kerstin Schuller