Selbstwert - Sabine Otremba
5 Minuten Lesezeit

Ordnung: Von außen nach innen

Ordnung zu halten ist nicht jedermanns Sache. Meine auch nicht unbedingt. Das Pendel scheint derzeit allerdings in Richtung Ordnung zu schwingen. Weil Ordnung weitaus mehr ist als nur ein aufgeräumter Schrank. Das Aufräumen von Schränken und Schubladen könnte durchaus ein erster Schritt sein, um ausgetretene Wege zu verlassen.


An der Ordnung scheiden sich die Geister. Die einen plädieren fürs kreative Chaos, getreu dem Motto: Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum Suchen. Bei anderen hingegen könnte jederzeit ein Team von „Schöner Wohnen“ vor der Tür stehen, um eine Homestory zu drehen – unangemeldet. Die Ordnungsliebhaber scheinen derzeit allerdings in der Überzahl zu sein.

Die Japanerin Marie Kondo schrieb einen Ordnungs-Ratgeber namens „Magic Cleaning“, der sie auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt katapultierte. Und Kondo ist nicht die Erste, die uns Ordnung nahebringen möchte. Erst waren es die sozialen Netzwerke, nun sind es die Zeitschriften, deren Themen um Ordnung und den damit einhergehenden Minimalismus kreisen. Woran liegt das?

Die Ordnung endet nicht am Schrank

Sind wir plötzlich alle ganz wild auf penibel aufgeräumte Schränke und Schubladen? Eher nicht. Es gibt verschiedene Auffassungen darüber, wieso wir es plötzlich lieber ordentlicher schätzen.

  • Etwa die, dass die Welt immer unüberschaubarer und wird, so dass uns ein geordnetes Umfeld eine gewisse Sicherheit zu bieten scheint.
  • Oder die, dass uns die Verwaltung der angehäuften Dinge Energie und Zeit raubt. An die 10.000 Dinge besitzt der Durchschnittseuropäer, behauptet die Statistik. Und all diese Dinge halten sich nicht alleine in Ordnung.
  • Hideko Yamashati, eine andere Ordnungs-Expertin aus Japan, sieht das Anhäufen von Dingen aus einem anderen Grund kritisch. Mit unserem Drang, an altem Kram zu kleben, fesseln wir uns an die Vergangenheit, so Yamashati. Und die Energie, mit der wir uns an diesen alten Kram binden, fehlt uns in der Gegenwart.

Auch für Aufräum-Guru Marie Kondo ist das Aufräumen die Basis der inneren Ordnung. Und die Berichte ihrer begeisterten Anhänger scheinen das zu bestätigen. So mancher, der lediglich Schränke und Schubladen entrümpeln wollte, wagte hinterher noch ganz andere Schritte. Da ist die Rede vom Wunschgewicht, das endlich erreicht wurde. Oder vom ungeliebten Job, der endlich gekündigt wurde.

Nun ist es sicher nicht hilfreich, das Entrümpeln zu sehr zu idealisieren. Es ist zwar verlockend zu glauben, dass sich die Probleme des Lebens gemeinsam mit den ausrangierten Sachen in Luft auflösen, aber ganz so einfach ist es dann wohl doch nicht. Nichtsdestotrotz kann so eine Entrümpelungsaktion ein erster Schritt aus der Erstarrung sein. Etwa wenn wir in einer unbefriedigenden Situation feststecken und wieder Bewegung in unser Denken und Leben bringen wollen. Denn wenn wir uns von Altem trennen, schaffen wir Platz für Neues. Im Bücherregal – aber nicht nur dort.

3 Tipps für mehr Ordnung

In ihrem Buch Magic Cleaning gibt Marie Kondo u.a. folgende Tipps für mehr Ordnung gemäß ihrer Konmari-Methode:

  • Ordnung mit System: Ab sofort nicht mehr ein Zimmer nach dem nächsten aufräumen, sondern bestimmte Kategorien abarbeiten. Also: Erst die Bücher, dann die Kleidungsstücke und hinterher das Geschirr. Den Anfang einer jeden Kategorie machen die Sachen, an die wir uns emotional am stärksten gebunden fühlen. Zum Schluss widmen wir uns den Dingen, denen wir eher leidenschaftslos gegenüberstehen.
  • Stück für Stück in die Hand nehmen: Wenn wir uns also vornehmen, Platz im Bücherregal zu schaffen, tragen wir zuerst alle Bücher zusammen. Ja, alle. Keine Ausnahme. Anschließend nehmen wir jedes Buch in die Hand und fragen uns, ob wir es noch brauchen und ob es uns noch glücklich macht. Ja? Das Buch darf bleiben. Nein? Dann fliegt das Buch raus – allerdings nicht, ohne dass wir uns vorher bei ihm für die bisherige Zeit bedanken.
  • Ordnung halten: Die Bücher, die bleiben dürfen, bekommen fortan einen festen Platz. Was auch heißt, dass sie nach jeder Benutzung ordentlich einsortiert und nicht „mal eben“ anderswo deponiert werden, weil wir sie irgendwann später wegstellen werden.

Zugegeben: Es klingt vielleicht ein wenig merkwürdig, sich bei ausrangierten Stücken für die gemeinsame Zeit zu bedanken. Aber nach dem vierten Buch fühlt es sich schon fast normal an – ich habe es ausprobiert.
Marie Kondo sagt:

„Ordnung ist eine Frage der Einstellung. Am Ende sollte man nur noch Sachen zu Hause haben, die Freude bereiten.“

Das klingt ambitioniert, für manche von uns sogar unrealistisch. Und doch hört es sich so gut an, dass es nicht nur für die Sockenschublade oder den Kleiderschrank gelten sollte. Sondern für alle Lebensbereiche. In diesem Sinne: Greifen wir doch beim nächsten Mal einfach mit freundlichem Gesicht zu Müllsack und Staubsauger – es könnte Wunder bewirken. Und wenn nicht, können wir uns hinterher wenigstens über ein aufgeräumtes Zuhause freuen.

Zum Weiterlesen:
„Magic Cleaning“ von Marie Kondo, ISBN 978-3499624810
“Dan-Sha-Ri: Das Leben entrümpeln, die Seele befreien“ von Hideko Yamasati, ISBN 978-3778792728

Fotocredits: iStock.com/ilona75

Aktualisiert am: 8. August 2022